Antrag - 2012/AN/3556

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag:

Der Einspruch von Herrn Dieter Reichelt vom 29.02.2012 gegen die Gültigkeit der Wahl des Oberbürgermeisters am 05.02.2012 ist zulässig aber unbegründet.

 

1.      Das Nichtvorliegen der Fälle nach § 40 Abs. 1 – 4 Landes- und Kommunalwahlgesetz Mecklenburg-Vorpommern (LKWG M-V) wird festgestellt.

2.      Nach § 40 Abs. 5 LKWG M-V ist der Einspruch daher zurückzuweisen.

3.      Die Präsidentin der Bürgerschaft wird beauftragt, die Wahlprüfungsentscheidung
gemäß § 42 Abs. 1 LKWG M-V zuzustellen.

 

 

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Beschlussvorschriften:

§ 37 Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern und §§ 36 Abs. 1 Satz 2 und
40 Landes- und Kommunalwahlgesetz Mecklenburg-Vorpommern (LKWG M-V)

 

 

 

Sachverhalt:

 

Herr Dieter Reichelt hat am 29.02.2012 einen Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl des Oberbürgermeisters am 05.02.2012 eingereicht. Überschrieben war der Einspruch von
Herrn Reichelt als „Anfechtung der Wahlen zum Amt des Oberbürgermeisters der Hansestadt Rostock vom 05.02.2012“. Der Gemeindewahlleiter hat den Einspruch von
Herrn Reichelt mit Schreiben vom 05.03.2012 der Präsidentin der Bürgerschaft übergeben.

 

Herr Reichelt hatte folgende 8 Gründe gegen die Gültigkeit der Wahl zur Begründung seines Einspruches vorgetragen:


 


1.              Nichtzulassung der Einzelbewerbung „Reichelt“ (Einspruchsführer)

 

Da der Bewerbung als Oberbürgermeister ein Gesundheitszeugnis sowie ein Führungszeugnis beizufügen waren, habe der Einspruchsführer mehrfach in der Wahlbehörde nach einer Finanzierungsmöglichkeit gefragt. Trotz wiederholter Nachfragen wäre keine Auskunft erteilt und somit seitens der Stadtverwaltung wahlkampfrelevante Informationen vorenthalten worden.

Erst mit Schreiben vom 28.11.11 teilte die Wahlbehörde mit, dass sich Herr Reichelt wegen anfallender Gebühren im Zusammenhang mit dem amtsärztlichen Gesundheitszeugnis und dem Führungszeugnis an seinen Sozialhilfeträger wenden solle.

Zwei Tage vor der Sitzung des Wahlausschusses wäre die Klärung der finanziellen Frage sowie des Termins beim Amtsarzt unmöglich gewesen. Durch die verspätete Mitteilung des Lösungsweges seitens der Stadtverwaltung Rostock sei die Möglichkeit der Bewerbung de facto entzogen worden.

Das LG Schwerin und das OLG Greifswald lehnten einstweiligen Rechtsschutz ab, da Rechtsschutz nur im Rahmen eines Wahlnachprüfverfahrens gewährt werden könne.

 

2.                  Zweifelhafte Besetzung des Gemeindewahlausschusses

 

Mitglied des Wahlausschusses war für die Wählergruppe FÜR Rostock deren Vorsitzender Frank von Olszewski. Der Einspruchsführer sei ebenfalls Mitglied der Wählergruppe. Gegen ihn würde ein Ausschlussverfahren laufen, welches Herr von Olszewski eingeleitet habe. Aufgrund dieser Konstellation habe er auf der Sitzung des Gemeindewahlausschusses vom 01.12.2011 einen Befangenheitsantrag gegen das Mitglied des Wahlausschusses gestellt. Dem Antrag wurde nicht stattgegeben.

 

3.                  Unkorrekter Stimmzettel

 

Das Landes- und Kommunalwahlgesetz (LKWG) M-V vom 16. Dezember 2010 legt in § 22 Absatz 2 die Reihenfolge der Bewerber auf dem Stimmzettel fest. Der Stimmzettel zur OB-Wahl 2012 entsprach nicht den Vorschriften des LKWG M-V.

 


4.              Nicht vorschriftsmäßige Besetzung mindestens eines Wahllokals

 

Im Groß Kleiner Wahllokal 70 ist es zu einer Unregelmäßigkeit gekommen: Über einen längeren Zeitraum waren lediglich zwei anstelle von drei Wahlvorstandsmitgliedern bei der Stimmabgabe anwesend. Der Wahlausschuss entschied sich trotz Akzeptanz des Mangels gegen eine Wahlwiederholung im entsprechenden Wahlbezirk, weil das Wahlergebnis durch diesen einen Vorfall nicht veränderbar gewesen wäre, selbst wenn alle Wähler sich für einen anderen Bewerber entschieden hätten.

 


5.              Verletzung der Neutralitätspflicht des kandidierenden Amtsinhabers

 

Auf der Facebook- und der Internetseite des Bewerbers Roland Methling habe es mehrfach eine Vermischung von Amt und Wahlkampf gegeben, wobei eine besonders deutliche Vermischung von Amt und Wahlkampf beim Umgang mit der Bitte junger Leute um einen Termin zur Problematik Bau einer Skaterhalle stattgefunden habe. Die Bitte sei eindeutig an den Oberbürgermeister gerichtet gewesen. Die jungen Leute wären jedoch in das Wahlkampfbüro von Herrn Methling eingeladen worden. Somit sei in amtlicher Eigenschaft auf die Bildung des Wählerwillens eingewirkt worden. Ergänzend hierzu hat Herr Reichelt per Mail vom 25.04.2012 auf eine Anfrage von Herrn Raedel und den Umgang mit dieser verwiesen.


6.              Unzulässige Wahlbeeinflussung seitens des Amtsinhabers

 

Brauerei und Amtsinhaber Roland Methling gingen am 30.11.2011 gemeinsam an die Öffentlichkeit, um eine neue Werbekampagne für die Biermarke „Rostocker“ vorzustellen. Aufgrund zahlreicher Proteste verzichteten beide Seiten am 5.12.2011auf das Plakatmotiv, was jedoch bereits im Internet auf den Seiten der Brauerei und anderen Seiten zu sehen gewesen sei. Die Debatte um das Plakat habe noch bis zum Jahresende angedauert. Der Amtsinhaber habe diese öffentliche Debatte für eine Umfrage auf seiner Wahlkampf-Facebook-Seite bis weit in den Dezember hinein genutzt.

Mit dieser Werbung habe Herr Roland Methling in amtlicher Eigenschaft in einer pflichtwidrigen Verhaltensweise wesentlich auf die Bildung des Wählerwillens eingewirkt.

 


7.              Vorenthalten wahlkampfrelevanter Informationen

 

Der Neubau eines Theaters liege den Rostockern laut einer Umfragestudie besonders am Herzen, daher habe der Amtsinhaber Roland Methling diesen zum Wahlkampfthema gemacht und sprach sich eindeutig dafür aus. Den Neubau bezeichnete Roland Methling als bis 2018 machbar, da die Stadt neue finanzielle Spielräume habe. Nach der Wahl habe Herr Methling gegenüber der SUPERillu (Ausgabe vom 16.02.2012) erklärt, dass er den Theaterneubau erst dann realisieren wolle, wenn die derzeit noch 150 Millionen Euro Konto-Korrent-Kredite der Stadt getilgt seien. Solche Vorbedingung zum Neubau des Theaters habe der Amtsinhaber im Wahlkampf nicht erwähnt, denn sie ließe die Umsetzung des Ziels bis zum geplanten Baubeginn in 2015 als unrealistisch erscheinen. Oder aber der Amtsinhaber und Wiedergewählte plane noch nicht bekannte Maßnahmen. Beide Fälle würden eine Täuschung der Wähler über die wahren Absichten nach der Wahl darstellen. Mehrfach habe die Bürgerschaft ein Vier-Sparten-Ensembletheater für Rostock beschlossen. Der Amtsinhaber habe während des Wahlkampfes den Wählern seine Absicht vorenthalten, den Theateretat zu kürzen und somit den Beschluss der Bürgerschaft im Falle seiner Wiederwahl nicht umsetzen zu wollen.

Durch das Vorenthalten von wahlkampfrelevanten Informationen seitens des Amtsinhabers erfolgte eine Täuschung der Wähler.


8.              Unzulässige Wahlbeeinflussung seitens zweier Medien

 

In der Ausgabe des Monats Januar der Zeitschrift HRO-live vom 28.01.2012 wurde für den Amtsinhaber geworben in Form einer redaktionell gestalteten Anzeige, die gegen das Landespressegesetz Mecklenburg-Vorpommern und die Richtlinien des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) verstoße, da sie nicht deutlich als Werbe-Anzeige gekennzeichnet wurde. Als Amtsinhaber hätte der Anzeigen-Begünstigte die Aufgabe, die öffentliche Ordnung zu gewährleisten und auch Rechtsbrüche zu verhindern. Mit der "PR-Anzeige" lag ein solcher Rechtsbruch vor. Die staatliche Neutralität könnte durch Unterlassen verletzt worden sein.

Am 28.01. riefen die NNN zu einer TED-Umfrage auf. Bis zum 30.01. konnte jeder, der von der Umfrage erfuhr, online den TED anklicken. Am 31.01. wurde das Ergebnis veröffentlicht. Die Umfrage, deren Veröffentlichung und Darstellung hätten nicht den gängigen Regeln entsprochen, sie erlangte eine die Wahl beeinflussende Rolle aufgrund der hohen Stellung der NNN als Meinungsträgerin.

 

 


In ihrer Sitzung am 04.04.2012 hat die Bürgerschaft die Bildung eines Wahlprüfungsausschusses beschlossen und die Mitglieder für den Ausschuss gewählt.

Die konstituierende Sitzung des Wahlprüfungsausschusses fand am 25.04.2012 statt. In dieser Sitzung hat die Gemeindewahlleitung ihre Stellungnahme nach § 39 Abs. 2 Landes- und Kommunalwahlgesetz MV (LKWG M-V) zu den Punkten 1 bis 4 des Einspruches von
Herrn Reichelt überreicht. Ferner wurden in der konstituierenden Sitzung mit dem 10.05.2012 und 23.05.2012 weitere Sitzungstermine, in welchen eine öffentliche Verhandlung des Einspruchs erfolgte, beschlossen und die Beteiligten zu diesen Sitzungen geladen.

 

Bereits in seiner Sitzung am 10.05.2012 hat der Wahlprüfungsausschuss festgestellt, dass der Einspruch von Herrn Reichelt form- und fristgerecht eingelegt wurde.
 

Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 LKWG M-V können alle Wahlberechtigten des Wahlgebietes innerhalb von 2 Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses schriftlich oder zur Niederschrift unter Angabe der Gründe bei der Wahlleitung Einspruch erheben.

 

Das Wahlergebnis wurde am 15. Februar 2012 im Amts- und Mitteilungsblatt der Hansestadt Rostock „STÄDTISCHER ANZEIGER“ veröffentlicht. Danach endete die Einreichungsfrist für einen Wahleinspruch am 29. Februar 2012. Die an den Gemeindewahlleiter adressierte Einspruchsschrift wurde am 29.02.2012 von Herrn Reichelt persönlich im Stadtamt, dem Dienstsitz des Gemeindewahlleiters abgegeben.

 

Der Wahlprüfungsausschuss hat sich zur Begründung der Zurückweisung der Punkte
1 bis 4 im Wesentlichen die Stellungnahme der Gemeindewahlleitung zur eigen gemacht.

 

zum Einwand Nr. 1 – Nichtzulassung der Einzelbewerbung „Reichelt“ (Einspruchsführer)

 

Die Bewerbung des Einspruchsführers konnte vom Gemeindewahlausschuss nicht zugelassen werden, weil zum einen mehr als zweifelhaft war, ob die Frist zur Einreichung der Bewerbungsunterlagen überhaupt eingehalten wurde. Darüber hinaus waren die Unterlagen derart unvollständig, dass eine Zulassung des Kandidaten auch aus diesem Grund ausschied. Der Gemeindewahlausschuss hat daher in seiner Sitzung am 01.12.2011 die Zulassung des Wahlvorschlages bei 8 Nein-Stimmen und einer Enthaltung abgelehnt, da der Wahlausschuss nach § 20 Abs. 3 LKWG M-V Wahlvorschläge zurückzuweisen hat, die verspätet eingegangen sind oder sonst den Vorschriften des LKWG M-V oder der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften nicht entsprechen.

Dafür ist maßgebend, das nach § 62 Abs. 4 LKWG M-V Wahlvorschläge spätestens am 73. Tag vor der Wahl bis 18:00 Uhr schriftlich bei der für das Wahlgebiet zuständigen Wahlleitung einzureichen sind. Dementsprechend heißt es in der öffentlichen Bekanntmachung vom 27.07.2011 im Städtischen Anzeiger.

 

„Die Wahlvorschläge sind spätestens am 73. Tag vor der Wahl, d. h. bis spätestens am 24. November 2011, 18:00 Uhr schriftlich einzureichen bei der Hansestadt Rostock, Der Gemeindewahlleiter, Neuer Markt 1, 18055 Rostock. Es wird empfohlen, die Wahlvorschläge so frühzeitig vor diesem Termin einzureichen, dass etwaige Mängel, die die Zulassung beeinträchtigen könnten, noch rechtzeitig behoben werden können“.

 

Diese Möglichkeit bestand, da die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle des Gemeindewahlleiters, Frau Bettina Bestier, in ihrem Büro am 24.11.2011 bis 18:00 Uhr zugegen war. Eine Abgabe dort durch den Einspruchsführer erfolgte bis zum Fristablauf jedoch nicht. Er nutzte einen Behördenbriefkasten am Rathaus.

 

In die unmittelbare Verfügungsgewalt des Gemeindewahlleiters gelangte der Wahlvorschlag erst am 25.11.2011, also nach Ablauf der Einreichungsfrist. Entnommen wurde der Umschlag mit dem Wahlvorschlag am 24.11.2011 um 22:30 Uhr durch den Mitarbeiter der Infothek. Der Einspruchsführer selbst gab an, dass er den Wahlvorschlag bereits am 24.11.2011 um 16:15 Uhr in den Briefkasten eingeworfen habe.

 

Der Rechtsprechung zum Wahlrecht ist zu entnehmen, dass es grundsätzlich im alleinigen Verantwortungsbereich des Wahlvorschlagseinreichers liegt, für eine fristgerechte Einreichung des Wahlvorschlags zu sorgen (so z. B.: VG Karlsruhe in dem bereits erwähnten Beschluss vom 30.09.1999).

 

Selbst wenn man mit viel Wohlwollen noch ein fristgerechtes Einreichen annehmen würde, litt der Wahlvorschlag jedoch an derart erheblichen Mängeln, dass eine Zulassung auch aus diesem Grunde nicht in Betracht kam.

 

Nach § 24 LKWO M-V sind Wahlvorschläge für Bürgermeisterwahlen mit den Formblättern der Anlage 5 einzureichen. Bürgermeisterkandidaten haben ein Führungszeugnis zur Vorlage bei der Gemeindewahlbehörde zu beantragen, Erklärungen zu laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und Disziplinarverfahren, zu Disziplinarmaßnahmen, zu Tätigkeiten für die Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik abzugeben und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen. Da es sich um eine hauptamtliche Bürgermeisterwahl handelt, sind überdies ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis und eine Erklärung zu den wirtschaftlichen Verhältnissen vorzulegen.

 

Die unverzüglich erfolgte Vorprüfung des eingereichten Wahlvorschlags ergab, dass der Einspruchsführer weder das Formblatt 5.2 der Anlage 5 zur LKWO M-V vollständig ausgefüllt hatte (so fehlt die Angabe des Berufs oder der Tätigkeit, es fehlen Angaben zu laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und auch die Erklärung des Einverständnisses dass eventuell vorhandene personenbezogene Daten beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR zum Zwecke der Überprüfung der Angaben genutzt werden dürfen). Ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis war ebenfalls nicht beigefügt und es war auch nicht angekreuzt, dass das erforderliche Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde rechtzeitig beantragt worden war. Zu Letzterem teilte der Einspruchsführer in seinem Begleitschreiben vom 24.11.2011 (siehe Anlage A 1 der Einspruchsschrift vom 29.02.2012) mit:

 

„Meinen Unterlagen sind sowohl ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis als auch das erforderliche Führungszeugnis nicht beigefügt. Dazu möchte ich erklären, dass ich gegenwärtig Leistungen in Höhe des Regelsatzes des ALG II beziehe. Beide fehlenden Dokumente sind jedoch kostenpflichtig, deren Gebühren ich nicht aufbringen kann.

 

In analoger Anwendung der Bestimmungen gem. Anlage 5, Formblatt 5.2 Seite 6, Ziff. V, Abs. 2 des Wahlvorschlages, erkläre ich mich hiermit ausdrücklich einverstanden, dass diese beiden erforderlichen Dokumente (auf Kosten der Gemeinde) eingeholt werden.“

 

Obwohl ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Einreichungsfrist allein der Wahlvorschlagsträger das Risiko der mängelfreien Vervollständigung der Wahlunterlagen trägt und mit dem Ablauf der Einreichungsfrist die Pflicht der Wahlleitung nach § 18 Absatz 1 Satz 3, 4 LKWG M-V zur umgehenden Prüfung und Aufforderung zur Mängelbeseitigung nach § 18 Absatz 2 Satz 3 LKWG M-V endet (so ausdrücklich: Punkt 5.4.3 a. E. der auf Grundlage des § 71 Abs. 2 LKWG M-V vom Innenministerium erlassenen Verwaltungsvorschrift „Vorbereitung und Durchführung von Landtagswahlen und Kommunalwahlen, insbesondere der Landtags-, Kreistags- und Landratswahlen am 4. September 2011“ vom 26.05.2011 – II 210 – 115.30142 –; siehe ferner Gesetzesbegründung zu § 18 LKWG M-V, LT-Drucksache 5/3568, Seite 58), wurde der Einspruchsführer auf die bestehenden Mängel sogar schriftlich hingewiesen.

 

Der Einspruchsführer hatte ausreichend Gelegenheit für die Einreichung der vollständigen Wahlvorschlagsunterlagen, zumal er sich bereits am 02.08.2011 die entsprechenden Vordrucke für den Wahlvorschlag abgeholt hat. Auch wurde in der öffentlichen Bekanntmachung zum Einreichen von Wahlvorschlägen ausdrücklich empfohlen, die Wahlvorschläge so frühzeitig einzureichen, dass etwaige Mängel, die die Zulassung beeinträchtigen könnten, noch rechtzeitig behoben werden können.

 

Von daher hatte der Einspruchsführer auch ausreichend Zeit die Frage der Finanzierung der anfallenden Gebühren für die Erstellung eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses sowie für die Ausstellung eines Führungszeugnisses zu klären. Es ist nicht die Aufgabe der Gemeindewahlleitung oder der Gemeindewahlbehörde diese Aufgabe dem Einspruchsführer abzunehmen oder gar für die anfallenden Kosten aufzukommen. Hierfür gibt es – entgegen der Annahme des Einspruchsführers – keinerlei rechtliche Grundlage. Unabhängig davon wurde der Einspruchsführer darauf hingewiesen, dass er ggf. bei seinem Sozialhilfeträger vorstellig werden könne.

 

Aus den genannten Gründen konnte der Gemeindewahlausschuss den Wahlvorschlag nicht zulassen. Gegen diese Entscheidung hat der Einspruchsführer Beschwerde gemäß § 20 Abs. 5 LKWG M-V eingelegt. Der Landeswahlausschuss hat sich in seiner Sitzung am 29.12.2011 mit dem Vorbringen des Einspruchsführers befasst und die Beschwerde durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.

 

Der Einspruchsführer hat daraufhin – wie er auch selbst ausführt – auch noch ein gerichtliches Eilverfahren angestrengt, um doch noch zur Wahl zugelassen zu werden. Dieser Eilantrag wurde vom Verwaltungsgericht Schwerin mit Beschluss vom 12.01.2012 abgelehnt. Ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die zweite Instanz wurde vom Oberverwaltungsgericht Greifswald mit Beschluss vom 31.01.2012 ebenfalls abgelehnt.

 

Ergänzend hat der Wahlprüfungsausschuss festgestellt, dass von Herrn Reichelt auch die Wählbarkeitsbescheinigung nicht beigebracht wurde, obwohl ihm im Hinweisblatt des Gemeindewahlleiters für Wahlvorschlagsträger mitgeteilt wurde, dass diese kostenlos ist.

 

zum Einwand Nr. 2 – Zweifelhafte Besetzung des Gemeindewahlausschusses

 

Der Einwand, Herr von Olszewski habe wegen Besorgnis der Befangenheit nicht im Gemeindewahlausschuss mitwirken dürfen, greift nicht durch. Der entsprechende Befangenheitsantrag wurde daher vom Gemeindewahlausschuss zu Recht zurückgewiesen.

Ein Verbot der Mitwirkung im Gemeindewahlausschuss bestand für Herrn von Olszewski nicht, weil die allgemeinen Befangenheitsgründe des § 24 KV M-V oder des § 21 VwVfG M-V nicht anwendbar sind, sondern § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 LKWG M-V insoweit eine vorrangige und abschließende Spezialvorschrift darstellt. Dort ist bestimmt, dass alle Mitglieder von Wahlorganen – wozu auch der Gemeindewahlausschuss zählt – ihre Tätigkeit überparteilich und unabhängig auszuüben haben. Bewerberinnen oder Bewerber und Vertrauenspersonen dürfen nicht Mitglieder der Wahlorganisation sein. Sind Mitglieder der Wahlorganisation mit ihrem Einverständnis als Bewerberin oder Bewerber oder als Vertrauensperson benannt worden, tritt mit dem Zeitpunkt der Benennung der Verlust der Stellung als Mitglied der Wahlorganisation ein.

 

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber bestimmt, welche Personen wegen der Gefahr von Interessenkonflikten u. a. wegen persönlicher Beteiligung nicht in den Wahlausschuss berufen werden können. Der Gesetzgeber war sich mithin der Möglichkeit etwaiger Interessenkonflikte bewusst, hat jedoch nur für sich bewerbende oder auf sonstige Weise im Vorfeld der Wahl tätige Personen nicht jedoch für sonstige Personen einen Ausschluss für erforderlich gehalten. Da der Gesetzgeber die Befangenheitsproblematik erkannt, aber darauf verzichtet hat, in § 10 Abs. 3 LKWG M-V, der die Beschlussfassung im Wahlausschuss betrifft, eine dem § 24 KV M-V entsprechende Regelung aufzunehmen, liegt keine Regelungslücke vor. Schon aus diesem Grund scheidet eine analoge Heranziehung sonstiger Befangenheitsregelungen aus.

 


Des Weiteren sei noch darauf hingewiesen, dass sich auch der Landeswahlausschuss in seiner Sitzung am 29.12.2011 mit diesem Einwand befasst hat, da der Einspruchsführer in seiner Beschwerde gemäß § 20 Abs. 5 LKWG M-V vom 07.12.2011 an die Landeswahlleiterin diesen Punkt ebenfalls angeführt hat. Auch der Landeswahlausschuss hat hierin keinen Verfahrensmangel erkennen können.

 

zum Einwand Nr. 3 – Unkorrekter Stimmzettel

 

Der Einspruchsführer führt hier durchaus zutreffend an, dass Ausgangspunkt zur Bestimmung der Reihenfolge der Bewerber auf dem Stimmzettel die gesetzliche Regelung des § 22 Abs. 2 LKWG M-V ist. Nach § 22 Abs. 2 LKWG M-V sind auf dem Stimmzettel grundsätzlich die Bewerberinnen oder Bewerber, die für eine der an der letzten Wahl gleicher Art beteiligten Parteien auftreten, in der Reihenfolge der von diesen Parteien bei dieser Wahl im Landesdurchschnitt erreichten Stimmenzahlen aufzuführen. Die Wählergruppen und die an der letzten Wahl nicht beteiligten Parteien sind dahinter aufzunehmen. Zum Schluss folgen die Einzelbewerbungen wiederum alphabetisch nach Namen.

 

Bei der hier in Rede stehenden Oberbürgermeisterwahl gibt es aber keinen „Landesdurchschnitt erreichter Stimmenzahlen“. Daher bestimmt die auf Grundlage des § 71 Abs. 2 LKWG M-V vom Innenministerium erlassene Verwaltungsvorschrift „Vorbereitung und Durchführung von Landtagswahlen und Kommunalwahlen, insbesondere der Landtags-, Kreistags- und Landratswahlen am 4. September 2011“ vom 26.05.2011 – II 210 – 115.30142 – im Punkt 7.4 im 4. Absatz Folgendes:

 

„Da es für Bürgermeister- und Landratswahlen keinen Landesdurchschnitt der Ergebnisse gibt und wegen der Möglichkeit gemeinsamer Wahlvorschläge eine Zuordnung auch nicht möglich ist, ist die Reihenfolge hier so zu gestalten, dass nach den Wahlvorschlägen der Parteien und Wählergruppen (in alphabetischer Reihenfolge der Namen der Wahlvorschlagsträger) die Einzelbewerbungen in alphabetischer Reihenfolge der Nachnamen aufgeführt werden.“

 

Diese Regelung orientiert sich an der des § 22 Abs. 2 Satz 3 LKWG M-V zu den sonstigen Kreiswahlvorschlägen. Sonstige Kreiswahlvorschläge schließen sich in alphabetischer Reihenfolge der Namen der Parteien und dann der Einzelbewerber an.

 

Die bei der Wahl verwandten Stimmzettel, wurden entsprechend den genannten Vorgaben erstellt.

 

zum Einwand Nr. 4 – Nicht vorschriftsmäßige Besetzung mindestens eines Wahllokals

 

Dieser Einwand ist durchaus gewichtig und wurde auch ausführlich in der Gemeindewahlausschuss-Sitzung am 09.02.2012 behandelt.

 

Wie sich auch aus der Wahlniederschrift des Wahlvorstandes des Wahlbezirkes 70 - Bootsbauerweg 1/Groß Klein – ergibt, waren unstreitig für mindestens 30 Minuten nur 2 Mitglieder des dortigen Wahlvorstandes (Wahlvorsteherin und der stellvertretende Schriftführer) im Wahllokal anwesend, was der Einspruchsführer mit einem Anruf bei der Wahlleitung gegen 16:00 Uhr rügte. Die Wahlvorsteherin und die Wahlleitung kümmerten sich sodann unverzüglich darum, die Mindestbesetzung von drei Mitgliedern umgehend wieder abzusichern.

 

Hierin liegt ein Verstoß gegen § 12 Abs. 4 LKWO M-V. Dieser bestimmt nämlich:

 

„Während der Wahlhandlung müssen immer mindestens drei, bei der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses mindestens fünf Mitglieder des Wahlvorstandes darunter die Wahlvorsteherin oder der Wahlvorsteher und die Schriftführung oder jeweils ihre Stellvertretung anwesend sein. Die Beschlussfähigkeit des Wahlvorstandes ist gegeben, wenn die Mindestbesetzung nach Satz 1 anwesend ist.“

 

Mit der Frage, welche Bedeutung diese Anwesenheitspflicht hat und welche Folge ein Verstoß hiergegen haben kann, hat sich in der Vergangenheit bereits das OVG Koblenz in einem Urteil vom 04.12.1990 beschäftigt und zwar zu einer nach § 12 Abs. 4 LKWO M-V vergleichbaren Regelung in der Kommunalwahlordnung von Rheinland-Pfalz.

 

Das Oberverwaltungsgericht legt dar, dass nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers die verantwortungsvolle Tätigkeit des Wahlvorstandes einer Mehrzahl von Wahlberechtigten überantwortet werden soll, damit auf diese Weise eine gegenseitige Kontrolle gewährleistet ist und Unkorrektheiten weitgehend ausgeschlossen sind. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass die gegenseitige Kontrolle des Wahlvorstandes nur dann gewährleistet ist, wenn mindestens die in der Wahlordnung genannte Anzahl von Mitgliedern anwesend ist. Dieses gelte natürlich insbesondere für die Anwesenheit bei der Feststellung des Wahlergebnisses.

Entgegen § 12 Abs. 4 LKWO M-V waren während der Wahlhandlung nicht ständig mindestens drei Mitglieder des Wahlvorstandes anwesend. Hierin liegt unter Zugrundelegung der genannten Rechtsprechung grundsätzlich ein erheblicher Verstoß gegen die Wahlvorschriften.

 

Dieser Wahlfehler lässt sich nicht durch Neuauszählung der Stimmen und Neufeststellung des Wahlergebnisses berichtigen. Damit stellte sich für den Gemeindewahlausschuss die Frage, wie mit diesem Wahlfehler umzugehen ist.

 

Hierbei ist aber zunächst festzustellen, dass sich der Wahlfehler nur auf einen Wahlbezirk bezieht. Hinweise darauf, dass es auch in anderen Wahllokalen zu einer vorschriftswidrigen Unterbesetzung der Wahlvorstände gekommen ist, liegen nicht vor. In einem Wahlprüfungsverfahren greift dann § 40 Abs. 2 Satz 2 LKWG M-V. Wenn bei der Wahlhandlung Unregelmäßigkeiten vorkommen, die sich nur auf einen Wahlbezirk erstrecken, so ist die Feststellung, dass die Wahl zu wiederholen ist, nur auf den betroffenen Wahlbezirk zutreffen. Hier käme also – wenn überhaupt – allenfalls eine Wiederholungswahl im Wahlbezirk 70 in Frage. Für alle anderen Wahlbezirke konnte vom Wahlausschuss demzufolge ohnehin das Wahlergebnis festgestellt werden.

 

Eine Wahlwiederholung im betroffenen Wahlbezirk könnte erforderlich sein, wenn infolge des festgestellten Verstoßes eine Änderung des Wahlergebnisses möglich wäre, also eine Änderung des Wahlergebnisses dahingehend möglich erscheint, dass – bezogen auf die OB-Wahl insgesamt – doch eine Stichwahl erforderlich wäre. Etwas anderes könnte gelten, wenn eine solche Änderung mit Sicherheit ausgeschlossen ist

 

Wenn man hypothetisch extrem annimmt – was aber nicht annähernd wahrscheinlich ist – dass alle (109) Stimmen des Wahlbezirkes 70 für den Kandidaten Methling hinweggedacht werden und dem Zweitplazierten oder den anderen Kandidaten zugeordnet würden, so lässt sich folgendes feststellen:

 

Der Kandidat Roland Methling hätte dann immer noch 33.821 gültige Stimmen, d.h. 53,6 %.

 

Selbst bei einer Wiederholungswahl im Wahlbezirk 70 mit einer angenommenen Wahlbeteiligung aller wahlberechtigten Personen (992) und einem Wahlergebnis, das für den Bewerber Roland Methling keine gültige Stimme ausweist, würde der Kandidat Roland Methling weiterhin 33.821 gültige Stimmen auf sich vereinen und mit 53 % als Gewinner der Oberbürgermeisterwahl hervorgehen.

 


Rechnung:

gültige Stimmen insgesamt:                                                                                                  63 051

abzüglich aller Stimmen des WB 70:                                                                                     ./. 177

summiert mit den theoretisch möglichen gültigen Stimmen

aller Wahlberechtigten des Wahlbezirkes 70:                                                                      +   992

Summe der theoretisch möglichen gültigen Stimmen insgesamt                                          63.866

 

 

Eine Stichwahl – und damit Änderung des Wahlergebnisses – ist damit mit Sicherheit ausgeschlossen. Der Wahlfehler im Wahlbezirk 70 ist daher nicht geeignet das Wahlergebnis zu beeinflussen.

 

Eine zwingende Notwendigkeit für eine Wiederholungswahl besteht also nicht. Ebenso ist völlig offen, ob es überhaupt durch diesen Wahlverfahrensfehler bei der Wahlhandlung, der sich auf einen Verstoß gegen die Anwesenheitspflicht beschränkt, wirklich zu einer Unregelmäßigkeit auch bei dem Wahlergebnis dieses Wahlbezirkes gekommen ist. Die Wahlniederschrift ist korrekt geführt worden. Auffälligkeiten im Vergleich mit anderen Niederschriften wurden durch den Gemeindewahlausschuss ebenfalls nicht festgestellt.

Das Wahlergebnis des Wahlbezirkes selbst wurde dann bei ordnungsgemäßer Besetzung des Wahlvorstandes festgestellt.

 

Weitere Sitzungen des Wahlprüfungsausschusses sollten am 23.05. und 30.05.2012 stattfinden. Zu den Sitzungen am 10.05. und 23.05. wurden die Beteiligten geladen und es wurde über den Einspruch in öffentlicher Sitzung verhandelt.

 

In seiner Sitzung am 23.05.2012 hat der Wahlprüfungsausschuss sich zunächst mit den Stellungnahmen der Gemeindewahlleitung, des Rechtsamtes und des Beteiligten Roland Methling zu den Punkten 5 bis 8 des Einspruchs von Herrn Reichelt beraten und im Anschluss hierzu zu den Punkten verhandelt und hierbei auch die Beteiligten gehört.

 

In der Beratung im Anschluss an die Verhandlung hat sich der Wahlprüfungsausschuss mit den Punkten 5 bis 8 des Einspruches von Herrn Reichelt unter Beachtung der Stellungnahmen und Ergebnisse der Verhandlung auseinandergesetzt. Im Ergebnis wurde weiterer juristischer Vertiefungsbedarf gesehen, wurden Fragen an die Brauerei formuliert und der Termin der nächsten Ausschusssitzung vom 30.05.2012 auf den 06.06.2012 gelegt.

 

In seiner Sitzung am 06.06.2012 hat der Wahlprüfungsausschuss die E-Mail von Yves Timmermann an FÜR Rostock vom 24.01.2012, die E-Mail von Stefan Raedel an den OB vom 30.01.2011, das Schreiben der Hanseatischen Brauerei vom 29.05.2012 und das Schreiben von Staatssekretär Lenz vom 24.01.2012 zur Werbekampagne für die Brauerei vom 14.12.2011 sowie die Stellungnahme des Rechtsamtes vom 04.06.2012 und das Schreiben des Ausschussmitgliedes Alexander Schulz vom 06.06.2012 ausgewertet und insgesamt noch einmal zu den Punkten 5 bis 8 des Einspruchs beraten.

 

Maßstab für die Ungültigkeit der Wahl ist allein § 40 LKWG M-V. Hieran waren auch die Einspruchsgründe 5 bis 8 zu messen. Konkret heißt es in § 40 Abs. 2 Satz 1 LKWG M-V: „Sind bei der Vorbereitung der Wahl oder bei der Wahlhandlung Unregelmäßigkeiten vorgekommen, die das Wahlergebnis oder die Verteilung der Sitze aus den Wahlvorschlägen im Einzelfall beeinflusst haben können, so ist festzustellen, dass die Wahl zu wiederholen ist

 

Zunächst müssen daher eine oder mehrere Unregelmäßigkeiten festgestellt werden können. Diese Unregelmäßigkeiten müssen dann Einfluss auf die Wähler gehabt und auch das Wahlergebnis beeinflusst haben können. Eine mögliche Beeinflussung der Wahlergebnisse würde vorliegen, wenn es ohne die Unregelmäßigkeiten eine Stichwahl gegeben hätte. Eine Unregelmäßigkeit liegt vor, wenn es eine Regel gibt, gegen die verstoßen wurde. Eine Regel ist, dass der Amtsinhaber sein Amt nicht für den Wahlkampf missbrauchen darf. (Verletzung der Neutralitätspflicht)

Das Rechtsamt hat in seiner Stellungnahme vom 21.05.2012 ausgeführt, dass es aus dem Vortrag des Einspruchsführers zu den Punkten 5 bis 8 keinen Grund zu erkennen vermag, der zur Ungültigkeit der Wahl geführt hätte. Die Gemeindewahlleitung hat in ihrer Stellungnahme vom 15.05.2012 nochmals deutlich gemacht, dass sie zu den Punkten 5 bis 8 bei sich keine Zuständigkeit sieht und keine Stellungnahme in der Sache abgeben kann. Der Beteiligte Methling hat in seiner Stellungnahme vom 21.05.2012 seine Rechtsposition zu den Punkten ausgeführt und das Mitglied Alexander Schulz in seinem Schreiben vom 06.06.2012 die seinige.

 

Die abschließende Beratung des Wahlprüfungsausschusses fand am 06.06.2012 statt. In dieser Sitzung hat der Wahlprüfungsausschuss zunächst die einzelnen Punkte des Einspruchs von Herrn Dieter Reichelt vom 29.02.2012 gegen die Gültigkeit der Wahl des Oberbürgermeisters am 05.02.2012 erörtert und zu diesen Punkten votiert.

 

 

 

zum Einwand Nr. 5 – Verletzung Neutralitätspflicht des kandidierenden Amtsinhaber

 

Eine Verletzung der Neutralitätspflicht war zu überprüfen. Eine solche Verletzung setzt voraus, dass der Oberbürgermeister als Amtsträger (mit anderen Worten: in amtlicher Eigenschaft) auf die Bildung des Wählerwillens eingewirkt hat. (Regelverstoß)

 

a) Internetauftritt

 

Nach den Behauptungen des Einspruchsführers soll der OB dies auf „seiner“ Internetseite getan haben. Wie und in welcher Form er von dort in amtlicher Eigenschaft auf den Wählerwillen eingewirkt haben soll, führt der Einspruchsführer nicht aus.

Dass er von dort aus auf den Wählerwillen eingewirkt hat, kann wohl ohne Rekapitulation unterstellt werden. Der Wahlprüfungsausschuss hat sich daher in seiner Sitzung am 23.05.2012 den Internetauftritt angesehen und festgestellt, dass zu den Kontaktdaten für Roland Methling neben der Adresse und Telefonnummer des Wahlkampfbüros im Friedhofsweg auch die Adresse und Telefonnummer des Oberbürgermeisters im Rathaus (Zentrale) angegeben war.

 

Auch wenn die dienstlichen Erreichbarkeitsdaten des Oberbürgermeisters auf den Internetseiten des Wählerbündnisses Für Rostock bzw. den Wahlkampfseiten von Roland Methling ausgewiesen wurden, handelt es sich doch eindeutig um Präsentationen des Wählerbündnisses bzw. des Kandidaten. Diese Vermischung von dienstlichen Erreichbarkeitsdaten und Wahlkampf wurde mehrheitlich als Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des OB gewertet. Verneint wurde jedoch, dass hierdurch die Wähler beeinflusst wurde. Dieser Punkt des Einspruchs von Herrn Reichelt war damit nicht relevant für die Gültigkeit der Wahl.

 

b) Termin zur Skaterhalle

 

Die reklamierte Vermischung von Wahlkampf und Amt im Zusammenhang mit dem Termin zum Bau einer Skaterhalle kann ebenfalls nicht als Regelstoß festgestellt werden. Hierfür sprechen die geschilderten äußeren Umstände, dass der OB den potentiellen Wählern als Wahlkämpfer (im Wahlkampfbüro) gegenüber getreten ist und auf deren Willen eingewirkt hat und gerade nicht in seiner Eigenschaft als amtierender Amtsträger (im OB-Büro). Belegt wird dies auch durch die E-Mail von Herrn Timmermann an FÜR Rostock vom 24.01.2012. Der Wahlprüfungsausschuss konnte daher zu diesem Punkt keinen Regelverstoß feststellen, so dass dieser Punkt des Einspruchs von Herrn Reichelt für die Gültigkeit der Wahl nicht mehr relevant war.

 


c) Anfrage Stefan Raedel / Kinderbegleitung von der Schule zum Hort

 

Zu diesem Themenkomplex hat der OB ausgeführt, dass er sich als OB innerhalb der Veranstaltung hierzu informiert hat und deutlich machen wollte, dass die Entscheidungskompetenz nicht bei ihm sondern beim Jugendhilfeausschuss liegt. Auch
Herr Raedel macht in seiner E-Mail vom 30.01.2012 deutlich, dass er eine Antwort des OB und nicht des Kandidaten wollte. Der Wahlprüfungsausschuss konnte daher zu diesem Punkt keinen Regelverstoß feststellen. Auf die Frage, ob der Punkt von Herrn Reichelt, eingereicht per Mail an die Präsidentin der Bürgerschaft am 25.04.2012, verfristet und an die nicht zuständige Stelle eingereicht wurde, kommt es im Ergebnis nicht mehr an.

 

 

zum Einwand Nr. 6 – Unzulässige Wahlbeeinflussung seitens des Amtsinhaber

 

Der Einspruchsführer reklamiert eine unzulässige Wahlbeeinflussung durch pflichtwidrige amtliche Verhaltensweisen, die er im Zusammenhang mit der beabsichtigten Werbekampagne für die Rostocker Brauerei sieht. Eine solche Verletzung würde wiederum voraussetzen, dass der Oberbürgermeister als Amtsträger (mit anderen Worten: in amtlicher Eigenschaft) auf die Bildung des Wählerwillens eingewirkt hätte (Regelverstoß).

 

Seitens des Rechtsamtes wurde darauf verwiesen, das zunächst zu klären ist, ob überhaupt eine pflichtwidrige amtliche Verhaltensweise vorlag und zwar im Hinblick darauf, dass die Werbekampagne zwar angekündigt, jedoch als solche nicht durchgeführt worden war. Selbst wenn eine solche Werbekampagne als beamtenrechtlicher Pflichtenverstoß anzusehen wäre, ist es ja gerade nicht zu dem Pflichtenverstoß gekommen.

Falls die beabsichtigte Werbung disziplinarrechtlich als Verstoß gegen Beamtenpflichten anzusehen wäre, wäre der Pflichtenverstoß lediglich angekündigt und nicht begangen, es sei denn, die Ankündigung selbst sei bereits ein Verstoß.

 

Hinweise dazu sind dem Einspruch selbst nicht zu entnehmen. Auch aus dem Schreiben der Hanseatischen Brauerei ergeben sich hierzu keine Hinweise. Im Gegenteil, die Hanseatischen Brauerei erläutert eindeutig, dass die Initiative von ihr ausging und es um Werbung für die Brauerei ging. Mit der beamtenrechtlichen Seite beschäftigen sich ausführlich die Ausführungen von Staatssekretär Lenz im Schreiben vom 14.12.2011. Er verweist im Ergebnis darauf, dass sich die Frage der Zulässigkeit der Werbekampagne der Brauerei im Hinblick auf Wählerwerbung erübrigt, da auf die Kampagne mit dem OB verzichtet wurde.

 

Im Ergebnis ist der Ausschuss der Auffassung, dass der Kandidat Roland Methling durch die Ankündigung der Werbekampagne der Brauerei und die hierzu durchgeführte Presseveranstaltung im Rathaus sowie die temporäre Einstellung des Plakates auf der Internetseite der Brauerei einen Regelverstoß begangen hat, obwohl die Plakataktion selbst von der Brauerei nicht mehr durchgeführt wurde. Der Ausschuss war mehrheitlich auch der Auffassung, dass dieser Regelverstoß Einfluss auf die Wähler gehabt hat. Verneint wurde vom Ausschuss jedoch, dass der Regelverstoß und die Wählerbeeinflussung Auswirkungen auf das Wahlergebnis hatten, da zum einen der Wahlsieger deutlich über 53 % der Stimmen errungen hat und zum anderen nicht klar ist, dass der Regelverstoß sich nur positiv für den Kandidaten ausgewirkt hat.

 

zum Einwand Nr. 7 – Vorenthalten wahlkampfrelevanter Informationen

 

Ob der Grundsatz der Freiheit der Wahl, so wie vom Einspruchsführer reklamiert, ähnlich dem vom BVerwG entschiedenen Fall, beeinträchtigt wurde, ist fraglich. An seinen Darlegungen und Ausführungen gemessen, ist dies eher unwahrscheinlich.

Urteil und Einspruch zugrunde liegende Sachverhalte sind deutlich verschieden. Einzige hier erkennbare Gemeinsamkeit ist die direkte Wahl des Hauptverwaltungsbeamten der Gemeinde sowie ein städtebauliches Thema.

 

In dem vom Gericht zu beurteilenden Fall hatte sich der Magistrat der Stadt darauf verständigt, ein bestimmtes Grundstücksgeschäft sowie das städtebauliche Schicksal des Grundstückes selbst im Wahlkampf zu verschweigen.

Im Einspruch wird auf eine an die Bürgerschaft gerichtete Informationsvorlage und nicht weiter belegte angebliche Äußerungen des OB im Wahlkampf Bezug genommen, nach denen ein neu zu bauendes Theater 2018 eröffnet werden solle.

Dem hält der Einspruchsführer einen seinen Ausführungen zufolge nach der Wahl in der „SUPERillu“ erschienen Artikel entgegen, wonach nach dem Willen des OB der Neubau des Theaters unter dem Vorbehalt der Tilgung der „derzeit noch 150 Millionen EURO Konto-Korrent-Kredite“ stehe.

 

Das Rechtsamt verweist darauf, dass es bereits fraglich ist, ob der geschilderte politische Wille (Theater bauen zu wollen) als Tatsache im Sinne der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes anzusehen ist. Tatsache erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Stadt hochverschuldet ist. Dies ist hinlänglich bekannt, wurde auch nicht verschwiegen, wobei es unwahrscheinlich erscheint, dass man durch Verschweigen des ohnehin allseits Bekannten, diese Tatsache unterdrücken könnte.

 

Falls man Absicht nicht als Tatsache ansehen kann, müsste ein die Entscheidung des BVerWG tragender Grund erkennbar sein, der es rechtfertigt das Verschweigen einer Absicht dem Verschweigen einer amtlichen Tatsache gleichzusetzen. Das Rechtsamt kann einen solchen Grund nicht erkennen.

 

Darüber hinaus sind die innergemeindlichen Kompetenzen zu berücksichtigen. Die Entscheidung über den Neubau eines Theaters ist weder dem übertragenen Wirkungskreis noch den Geschäften der laufenden Verwaltung zuzurechnen und fällt damit nicht in die Entscheidungskompetenz eines OB.

Wenn die Äußerung des erkennbar unzuständigen Organs oder des Bewerbers für dieses zur Entscheidung unzuständigen Organs einen Wählerwillen beeinflusst haben soll, würde dem „mündiger Wähler“ unterstellt, er könne dies nicht differenzieren. Unabhängig von den Ausführungen ist im Ergebnis festzustellen, dass kein Regelverstoß vorliegt, d. h., dass nicht festzustellen ist, dass der Oberbürgermeister als Amtsträger (mit anderen Worten: in amtlicher Eigenschaft) auf die Bildung des Wählerwillens eingewirkt hat.

 

zum Einwand Nr. 8 – Unzulässige Wahlbeeinflussung seitens zweier Medien

 

Das Rechtsamt hat darauf verwiesen, dass es unerfindlich ist, wie Verstöße gegen das Presserecht als Unregelmäßigkeit bei der Vorbereitung der Wahl angesehen werden könnten. Gemeint ist hiermit, dass keine Regel erkennbar ist, gegen die hätte verstoßen werden können, es also mangels einer Regel schon zu keiner Unregelmäßigkeit kommen konnte.

 

a) Werbung in HRO-Live

 

Nach Einsicht in die Originalausgabe des Heftes, in dem die Werbeanzeige von Roland Methling erschien war festzustellen, dass diese auch als solche gekennzeichnet war. Hieran ändert auch der Hinweis auf § 9 Landespressegesetz nicht. Der Wahlprüfungsausschuss konnte daher zu diesem Punkt keinen Regelverstoß feststellen, so dass dieser Punkt des Einspruchs von Herrn Reichelt für die Gültigkeit der Wahl nicht mehr relevant war.

 

b) Umfrageergebnisveröffentlichung der NNN

 

Es handelt sich um eine Veröffentlichung der Zeitung. Roland Methling hat von der Umfrage auch erst aus der Zeitung erfahren. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass § 28 LKWG M-V nur das Verhalten am Wahltag während der Wahlzeit selbst regelt und nicht einschlägig ist. Der Wahlprüfungsausschuss konnte daher zu diesem Punkt keinen Regelverstoß feststellen, so dass dieser Punkt des Einspruchs von Herrn Reichelt für die Gültigkeit der Wahl nicht mehr relevant war.

 

Nach der Beschlussfassung zu den Einwänden 5 bis 8 hat der Wahlprüfungsausschuss noch einmal unter kumulativer Berücksichtigung der Ergebnisse zu den Einwänden 1 – 8 über den Einspruch von Herrn Reichelt vom 29.02.2012 gegen die Gültigkeit der Wahl des OB am 05.02.2012 in Gänze abgestimmt und für die Bürgerschaft die Beschlussempfehlung aus dem Entscheidungsvorschlag getroffen.

 

Die Prüfungsunterlagen liegen für die Mitglieder der Bürgerschaft beim Sitzungsdienst der Bürgerschaft zur Einsicht bereit.

 

 

 

 

 

Reduzieren

Finanzielle Auswirkungen:  keine

 

 

 

 

 

 

Olaf Groth

Vorsitzender des Wahlprüfungsausschusses

 

 

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Beschlüsse

Erweitern

20.06.2012 - Bürgerschaft - ungeändert beschlossen