Beschlussvorlage - 2022/BV/3803

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag:

 

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, darauf Einfluss zu nehmen, dass der Fernwärmeliefervertrag der Stadtwerke Rostock AG mit dem Betreiber des Kohlekraftwerkes, der Kraftwerks- und Netzgesellschaft mbH (KNG) solange fortgeführt wird, wie das für die Versorgungssicherheit der Fernwärmeversorgung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock erforderlich ist. Die im Wärmeplan festgelegten Umsetzungsschritte zur Umstellung auf eine klimaneutrale Fernwärmeversorgung sind Grundlage des weiteren Vorgehens.

 

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Beschlussvorschriften:  § 22 Abs. 2 Kommunalverfassung M-V


bereits gefasste Beschlüsse:  Beschluss Nr. 2021/AN/1864
 

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Begründung der Dringlichkeit für den Hauptausschuss:

 

Nach § 6 Abs. 9 der Hauptsatzung bereitet der Hauptausschuss Beschlüsse der Bürgerschaft in Angelegenheiten der privatrechtlichen Beteiligungen vor. Die Bürgerschaft erwartet das Vorliegen dieser Beschlussvorlage am 07.12.2022, da sie die Beschlussfassung zum Antrag Nr. 2022/AN/3662 zum „Weiterbetrieb des Kohlekraftwerkes – Wärmevertrag verlängern“ in ihrer Sitzung am 26.10.2022 bis zur Dezembersitzung vertagt hat. Um die Festlegungen erfüllen zu können, ist eine Behandlung dieser Beschlussvorlage in der Hauptausschusssitzung am 22.11.2022 erforderlich.

 

Sachverhalt:

 

Mit Beschluss Nr. 2021/AN/1864 hat sich die Bürgerschaft für eine schnellst mögliche Abschaltung des Kohlekraftwerkes in Rostock ausgesprochen. In diesem Zusammenhang sollte der Fernwärmeliefervertrag der Stadtwerke Rostock AG mit dem Betreiber des Kohlekraftwerkes zum frühestmöglichen Zeitpunkt beendet werden.


Die Bürgerschaft hatte im Rahmen der Beschlussfassung deshalb festgelegt, dass der Bürgerschaft bis Ende 2022 eine Beschlussvorlage vorgelegt werden soll, die das weitere Vorgehen der Hanse- und Universitätsstadt Rostock auf dem Weg zu einer CO2 – freien Fernwärmeversorgung aufzeigt. Der Weg zu einer CO2 – freien Fernwärmeversorgung ist im Wärmeplan ausführlich dargestellt.

 

Der Wärmeplan zeigt jedoch auch, dass viele verschiedene Maßnahmen zu ergreifen sind, um die Wärmeversorgung von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu erhalten.

 

Die Frage, wie lange der Fernwärmeliefervertrag der Stadtwerke Rostock AG mit dem Betreiber des Kohlekraftwerkes, der Kraftwerks- und Netzgesellschaft mbH (KNG) erforderlich ist, ist folglich unter Berücksichtigung der Zielstellung der Klimaneutralität und der Versorgungssicherheit zu beantworten.  Hinzu kommt die Beachtung der aktuellen energiewirtschaftlichen Situation und der Gasmangellage. Die Antworten der mit Bürgerschaftsbeschluss aufgeworfenen Fragestellungen müssen folglich diese Zielstellung aufnehmen.

 

Im Ergebnis ist das Folgende festzustellen:

 

  1. Welche Auswirkungen hat der Verzicht auf die Fernwärmeleistung des Kohlekraftwerkes auf die Fernwärmeversorgung?

 

Laut Wärmeplan werden durch die Auskopplung von Abwärme der Stromproduktion aus dem Steinkohlekraftwerk im Seehafen Rostock aktuell ca. 150 MW Fernwärme bezogen (KNG, 2021). Das Kraftwerk dient der Stromerzeugung und ist für eine Fernwärmeauskopplung von bis zu 300 MW ausgelegt.

 

Die KNG sieht die Auskopplung der Fernwärme als Nebenprodukt, welches bei der dortigen Stromerzeugung anfällt. Die Fahrweise des Kohlekraftwerks basiert rein auf den zu erzielenden Erlösen an der Strombörse und ist von der Fernwärmeabnahme unabhängig. Von der Stadtwerke Rostock AG nicht abgenommene Abwärme des Steinkohlekraftwerkes bleibt ungenutzt.

 

Durch die eigenen Anlagen der Stadtwerke Rostock AG kann grundsätzlich die komplette Stadt mit Fernwärme versorgt werden. Jedoch sind das gesamte Versorgungssystem und die Versorgungssicherheit zu bewerten. Hierfür ist zu beachten, dass bei Ausfall eines Versorgers jederzeit ein zweiter verfügbar sein muss (Redundanz).

 

Aus diesem Grund ist ein zweiter Wärmeerzeuger im Nordosten erforderlich. Nur mit einem zweiten Wärmeerzeuger ist

 

- die Ausfallsicherheit gegeben,

- kann eine Krisenversorgung gewährleistet und

- die Netzbeherrschung optimiert

 

werden.

 

Der zweite Wärmeerzeuger im Nordosten ist die Grundlage zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Jetzt werden die Risiken mit dem Fernwärmeliefervertrag des Kohlekraftwerkes abgesichert. Zudem stabilisiert der Fernwärmeliefervertrag den Fernwärmepreis. Insbesondere im Hinblick auf die aktuelle Situation der Gasmangellage ist ein von Erdgas unabhängiger Wärmeerzeuger ein hohes Gut.

 


Bei einem Ausstiegsszenario ist deshalb zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit eine Alternative zu finden. Derzeit gibt es im Nordosten aber keinen anderen Wärmeerzeuger als das Steinkohlekraftwerk, der die notwendige Leistung zur Verfügung stellen kann.

 

Ein Ausstiegsszenario würde folglich eine Investition zum Ersatz der Wärmequelle  „Steinkohlekraftwerk“ im Nordosten von Rostock erfordern. Und das ungeachtet des weiterhin geltenden Kohleausstiegsgesetzes mit den nach wie vor geltenden Abschaltzeitpunkten.

 

Mit Blick auf den Wärmeplan muss die im Nordosten zur Versorgungssicherheit zu bauende Anlage mit erneuerbaren Energien als Wärmequelle arbeiten. Um zusätzliche Investitionen zu vermeiden, sollte sie auch Bestandteil des Erzeugerparks sein, der als Handlungsoption ausgewählt wird und letztendlich zu einer klimaneutralen Fernwärme führt.

 

Zudem sind in den kommenden Jahren die aktuell bestehende Energiekrise und eine eventuell auftretende Gasmangellage für die Entscheidung, wann der Fernwärmebezug aus dem Steinkohlekraftwerk enden soll, zu berücksichtigen.

 

Die weitere Entwicklung des Energiemarktes und der Energieversorgungssicherheit ist momentan nicht absehbar. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Energiekrise bis zum Ende der Vertragslaufzeit des bestehenden Fernwärmeliefervertrages am 31.12.2024, und darüber hinaus, besteht.

 

Daher stellt ein Ausschluss dieser redundanten, vom Gas unabhängigen Wärmequelle für die Hanse- und Universitätsstadt Rostock ebenfalls ein Risiko für die Versorgungssicherheit dar.

 

Fazit:

Bei den derzeit gegebenen Rahmenbedingungen stellt die Beendigung des Fernwärmeliefervertrages ein nicht zu akzeptierendes Risiko für die Versorgungssicherheit dar.

 

 

  1. Welche Investitionen und Maßnahmen müssen zu welchen Zeitpunkten und zu welchen Kosten ergriffen werden?

 

Im Wärmeplan wurden ausgehend von dem prognostizierten Wärmebedarf bei Berücksichtigung der Einsparpotenziale der energetischen Gebäudesanierung und dem geringeren Verbrauch bei Neubauten, sowie der Potenziale aus der Wärmerückgewinnung und dem Einsatz von Speicherkapazitäten 5 Erzeugerparks dargestellt. Aus den durchgeführten Untersuchungen ging hervor, dass eine klimaneutrale Fernwärme inklusive des erreichten Netzausbaus bis 2035 auf Basis dieser 5 Erzeugerparks möglich ist. Die Erzeugerparks stellen Handlungsoptionen dar. Je nachdem welche Handlungsoption zum Umbau der Erzeuger, Speicher und Netze gewählt werden, besteht laut Wärmeplan bei den Stadtwerken bis 2035 ein Investitionsbedarf in Höhe von 368 Mio. EUR bis 616 Mio. EUR. Bei Unterstellung eines gemittelten Investitionsbedarfes von 530 Mio. EUR, können 205 Mio. EUR Fördermittel zur Umstellung auf eine klimaneutrale Fernwärme eingebunden werden.

 

Die aufgezeigten 5 alternativen Erzeugerparks sind laut Wärmeplan noch weiter zu untersuchen, um eine Auswahl treffen zu können. Das bedeutet jedoch auch, erst wenn klar ist, welche Handlungsalternative umgesetzt wird, ist bekannt, welche Investition zum Ersatz der Wärmequelle  „Steinkohlekraftwerk“ im Nordosten von Rostock realisiert wird.

 

 

Der Bau irgendeiner Ersatzwärmequelle ist mit der Umsetzung des Wärmeplans nicht vereinbar und würde zusätzlichen Investitionsaufwand bedeuten.

 

Jedoch gibt es in allen Handlungsoptionen übereinstimmende wesentliche Elemente. Daraus wurden Maßnahmen abgeleitet, die in jedem Zielszenario Sinn ergeben, sogenannte „No-Regret-Maßnahmen“.

 

Zu den  No-Regret-Maßnahmen zählen:

 

  • Anbindung von industrieller Abwärme sowie Prozesswärme aus Klärschlamm- und Restmüllverbrennung auf günstigem Temperaturniveau
  • Integration der Nordwasser-Wärmepumpe
  • Einbindung eines Erdbeckenspeichers

 

Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, dass die Stadtwerke Rostock AG als nächsten Schritt die „No-Regret-Maßnahmen“ umsetzen. Das spiegelt sich in der Investitionsplanung des Unternehmens wieder.

 

In der Investitionsplanung der Stadtwerke Rostock AG müssen jedoch die finanziellen Prämissen und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens beachtet werden.

 

Vor diesem Hintergrund fanden die strategischen Projekte Abwasser Nordwasser und EBS Wärmeauskopplung in der Planung der Stadtwerke Rostock AG Berücksichtigung. Allein für diese Projekte wurde für den Planungszeitraum 2023 bis 2026 eine Investitionssumme von insgesamt 73,9 Mio. EUR veranschlagt.

 

Fazit:

Ein Ausstiegsszenario muss sich zur Absicherung der Versorgungssicherheit an der zeitlichen Umsetzungsmöglichkeit notwendiger Investitionen zur Schaffung einer klimaneutralen Fernwärme orientieren.

 

 

  1. Welche Auswirkungen haben die Maßnahmen auf die Endverbraucherpreise für   Unternehmen und Haushalte für die Energieversorgung?

 

Die Auswirkungen auf die Endverbraucherpreise durch eine Beendigung der Wärmelieferung aus dem Steinkohlekraftwerk Rostock im Lichte dieser Energiekrise sind nicht quantifizierbar.

 

Die Endverbraucherpreise hängen eng mit der Entwicklung der Energiepreise auf den Weltmärkten zusammen. So sind Vergleich zum Jahresanfang 2021 die Preise am Terminmarkt für Gas um ca. 700% und für Kohle um ca. 200% gestiegen. Wird ohne Umsetzung der investiven Maßnahmen des Wärmeplans der Fernwärmeliefervertrag mit dem Steinkohlekraftwerk nicht verlängert, müsste die Stadtwerke Rostock AG den Fernwärmebedarf zu 100 % über den Rohstoff „Gas“ abdecken. Eine Preisoptimierung für den Endkunden, je nach günstigerem Erzeugereinsatz, wäre damit nicht mehr möglich. Wird die seit Anfang 2021 eingetretene Entwicklung bei den Weltmarktpreisen zugrunde gelegt, müssten die Unternehmen und Haushalte bei 100 % -igen Einsatz des Rohstoffes „Gas“ mittelfristig mit einer Preiserhöhung für die Fernwärme rechnen. Eine Reduzierung der Wärmeversorgung auf nur einen Energieträger ist somit weder für die Versorgungssicherheit noch für die Preisentwicklung der Endverbraucherpreise zielführend.

 

Der politische Wille der Bürgerschaft und die Strategie der Stadtwerke haben die Klimaneutralität der Hanse- und Universitätsstadt Rostock zum Ziel.

In der Konsequenz werden sich langfristig  im Vergleich zum aktuellen Preisniveau auch Preiserhöhungen bei Bau von Erzeugeranlagen, die mit erneuerbaren Energien arbeiten, nicht vermeiden lassen. Der daraus resultierende Preisanstieg ist jedoch abhängig von der Höhe der für die Finanzierung der Investitionen zur Verfügung stehenden Fördermittel. Die Preisgestaltung für erneuerbare Wärme wird jedoch unabhängig von der Entwicklung am Weltmarkt sein. Dadurch können zukünftig neben der Gewährleistung der Versorgungssicherheit auch planbare Wärmepreise angeboten werden. Das ist deshalb der einzig richtige Weg für die Fernwärme der Zukunft in Rostock.

 

Fazit:

Die Laufzeit des Fernwärmeliefervertrages sollte so kurz wie möglich und so lange wie nötig sein, um die Zielstellung „Umstellung auf erneuerbare Wärme“ nicht zu gefährden.

 

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Finanzielle Auswirkungen:

 

keine

 

 

 

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Dr. Chris von Wrycz Rekowski
Erster Stellvertreter des Oberbürgermeisters

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Beschlüsse

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22.11.2022 - Hauptausschuss - ungeändert beschlossen

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07.12.2022 - Bürgerschaft - geändert beschlossen

Beschlussvorschlag:

 

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, darauf Einfluss zu nehmen, dass der Fernwärme­liefervertrag der Stadtwerke Rostock AG mit dem Betreiber des Kohlekraftwerkes, der Kraftwerks- und Netzgesellschaft mbH (KNG) solange fortgeführt wird, wie das für die Versorgungssicherheit der Fernwärmeversorgung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock erforderlich ist.
Die im Wärmeplan festgelegten Umsetzungsschritte zur Umstellung auf eine klimaneutrale Fernwärmeversorgung sind Grundlage des weiteren Vorgehens.

 

 

Beschluss Nr. 2022/BV/3803:

 

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, darauf Einfluss zu nehmen, dass der Fernwärme­liefervertrag der Stadtwerke Rostock AG mit dem Betreiber des Kohlekraftwerkes, der Kraftwerks- und Netzgesellschaft mbH (KNG) solange fortgeführt wird, wie das für die Versorgungssicherheit der Fernwärmeversorgung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock erforderlich ist.

Dabei ist darauf hinzuwirken, dass die Laufzeit des Fernwärmeliefervertrages so kurz wie möglich und nur so lange wie nötig gestaltet wird, um die Zielstellung „Umstellung auf erneuerbare Wärme“ nicht zu gefährden.


Die im Wärmeplan festgelegten Umsetzungsschritte zur Umstellung auf eine klimaneutrale Fernwärmeversorgung sind Grundlage des weiteren Vorgehens.
Der Oberbürgermeister wird dementsprechend beauftragt, mit den Stadtwerken und anderen Partnern einen Investitionskorridor zur Umsetzung des Wärmeplans abzustimmen.
Dieser ist bis Herbst 2023 der Bürgerschaft zur Kenntnis zu geben und in den Wirtschaftsplänen der kommunalen Unternehmen und der Haushaltsplanung der Stadt zu berücksichtigen.“

 

 

Abstimmungsergebnis:

Angenommen

X

Abgelehnt