Informationsvorlage - 2022/IV/3517

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Beratungsfolge

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Sachverhalt:
Mit der Informationsvorlage 2021/IV/2602 wurde die Bürgerschaft in ihrer Sitzung am 03.11.2021 zuletzt über den Stand der Konzepterstellung zur Einführung eines interaktiven Bürgerhaushaltes informiert. Um zunächst das Stimmungsbild der Bevölkerung zu einer direkten Beteiligung am städtischen Haushalt beurteilen zu können, hatte sich das Kämmereiamt an der städtischen Bürgerbefragung 2021 beteiligt. Mit der genannten Vorlage wurde vorgeschlagen, die Ergebnisse dieser Bürgerbefragung abzuwarten, bevor weitere Planungsschritte erfolgen.

Die zwischenzeitlich veröffentlichte Auswertung der Kommunalen Bürgerinnen- und Bürgerumfrage durch die Kommunale Statistikstelle des Hauptamtes ergab, dass von allen Befragten, die geantwortet hatten, bei knapp jedem Dritten ein „starkes“ bis „sehr starkes“ Interesse an der Mitwirkung bei der Haushaltsplanung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock besteht (siehe Anlage S. 198 f.). Fast doppelt so viele der Befragten - insgesamt 65 Prozent - zeigten allerdings „wenig“ bis gar kein Interesse an einer Beteiligung bzw. Mitwirkung am städtischen Haushalt.

Legt man die Ergebnisse als Richtwert für die Gesamtheit der Bürger/-innen Rostocks zugrunde, könnten insgesamt ~73.000 ein starkes bis sehr starkes Interesse an der Mitwirkung haben, während ~136.000 wenig bis gar kein Interesse hätten.

Für fast 46% der Befragten ist es darüber hinaus wichtig, dass die HRO sich nicht wieder neu verschuldet und geeignete Konsolidierungsmaßnahmen ergreift (siehe Anlage S. 206 f.).

Auswertung hinsichtlich eines Bürgerhaushaltes

Der Bürgerhaushalt ist ein informelles Verfahren, das in den meisten Bundesländern ohne rechtliche Verankerung durchgeführt wird. Verbreitet sind dabei zwei Verfahren: der Vorschlags-Bürgerhaushalt und das Bürgerbudget. Beim Vorschlags-Bürgerhaushalt gibt die Bevölkerung Vorschläge zum Haushaltsplan ab, die durch die Verwaltung geprüft werden und über deren Umsetzung die politische Vertretung entscheidet. Beim Bürgerbudget wird bereits vor der Beteiligung festgelegt, wieviel Geld für die Umsetzung der Vorschläge bereitgestellt wird.

Die Einführung eines solchen Bürgerhaushaltes stellt ein freiwilliges Angebot der Stadt dar, was bereits daraus ersichtlich wird, dass die formellen Beteiligungsverfahren (Bürgerbegehren und Bürgerentscheid) eine Befassung mit Haushaltsfragen nicht erlauben (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 KV M-V).

Allerdings wird für freiwillige Leistungen der Stadt der finanzielle Handlungsspielraum voraussichtlich künftig eingeschränkt sein. Angesichts der aktuell zahlreichen, sich rasant entwickelnden Krisensituationen, die zum Teil starke Auswirkungen auf den städtischen Haushalt haben, ist in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock nach wie vor von einer bevorstehenden Haushaltskonsolidierung auszugehen. Dementsprechend sollten derzeit keine Entscheidungen getroffen werden, die mittelfristig möglicherweise nicht mehr zu finanzieren sind. Diese Auffassung unterstützen auch die befragten Bürger/-innen mehrheitlich, sodass aus Sicht des Kämmereiamtes vorläufig davon abgesehen werden sollte, zusätzliche Mittel in Form eines Bürgerbudgets bereitzustellen.

Zugleich hat fast ein Drittel der Befragten ein starkes bis sehr starkes Interesse an der Mitwirkung in haushaltsrechtlichen Belangen, ob sich dies aber auch tatsächlich auf die Beteiligung an einem Bürgerhaushalt niederschlagen würde, bleibt spekulativ. Laut dem 9. Statusbericht zum Bürgerhaushalt in Deutschland (2014 -2017) ist unter den Städten zwischen 100.000 und 500.000 Einwohnern Potsdam mit einer Beteiligungsquote von 7% Spitzenreiter. Als Erfolg wird aber schon eine Beteiligungsquote von nur 1% ausgewiesen. Legt man diese Werte zugrunde, könnte sich die absolute Beteiligung in Rostock zwischen ~2.100 und ~14.600 Einwohnern bewegen.

Um keine Mittel im Haushalt zu binden, die nur einem sehr kleinen Teil der Rostocker Bürger/-innen zugutekommen, kommt vorerst nur die Einführung eines Vorschlags-Bürgerhaushaltes in Betracht.

Zentrales Element eines Vorschlags-Bürgerhaushaltes ist dabei die Interaktion mit der Öffentlichkeit, die über die simple Information hinausgeht. Die meisten Bürgerhaushalte bieten daher die Möglichkeit, Vorschläge einzubringen, zu kommentieren, ihnen zuzustimmen oder sie abzulehnen. Gleichzeitig werden die jeweiligen Anregungen und Vorschläge durch die Verwaltung bewertet und hinsichtlich ihrer Durchführbarkeit geprüft. Damit entsteht ein öffentlicher Diskurs zum städtischen Haushalt.

Durch den Informationsgewinn aus der Bevölkerung und die neugeschaffene Möglichkeit der Diskussion wird aber auch die Einführung neuer Prozesse in der Gesamtheit der Verwaltung erforderlich, die personelle, organisatorische und finanzielle Ressourcen binden wird. Kernstück ist dabei im ersten Schritt die Implementierung einer interaktiven Beteiligungsmöglichkeit - vorzugsweise in Form einer Online-Plattform. Die Einführung eines solchen Angebots ist mittelfristig generell möglich und wird bei einem Dafürsprechen der Bürgerschaft seitens der Verwaltung zeitnah weiterverfolgt. Aber auch kurzfristig kann die aktive Bürgerbeteiligung in haushaltsrechtlichen Fragen gestärkt werden.

In diesem Zusammenhang soll zunächst auf das bereits bestehende Beteiligungsangebot vonseiten der Ortsbeiräte verwiesen werden. Seit dem Haushaltsjahr 2019 werden für alle Ortsteilvertretungen Budgets in festgelegter Höhe zur Verfügung gestellt, über deren Verwendung die jeweiligen Ortsbeiräte eigenverantwortlich entscheiden dürfen. Dabei werden die Einwohner/-innen der jeweiligen Ortsbeiratsbereiche an der Verwendung der Mittel beteiligt, indem Maßnahmenvorschläge, Anregungen und Ideen gemeldet, gesammelt und ausgewählt werden. Um konkrete Maßnahmen anzustoßen und durchführen zu lassen, können die Bürger/-innen mithilfe eines Antrags auf Zuwendung Gelder aus dem Ortsbeiratsbudget in Anspruch nehmen.

Ortsbeiratsbudgets

 

 

 

 

 

 

 

Stand: 12.08.2022

2019

 

2020

 

2021

 

2022

Plan

Ist

Abw.

 

Plan

Ist

Abw.

 

Plan

Ist

Abw.

 

Plan

Ist

Abw.

162.900

110.693

-52.206

 

163.600

64.879

-98.721

 

253.600

109.574

-144.026

 

163.600

63.185

-100.415

Nach Auswertung der bisher getätigten Auszahlungen der Ortsbeiratsbudgets wird zwar sichtbar, dass die übergebenen Budgets von den Ortsteilvertretungen bisher noch nicht in entsprechender Höhe in Anspruch genommen werden konnten, allerdings erfolgt diesbezüglich aktuell eine Nachsteuerung der Prozesse, sodass eine Verbesserung hinsichtlich der Erfüllung zu erwarten ist. Es wurden Haushaltsausgabereste gebildet und in das Haushaltsjahr 2022 übertragen.

In diesem Kontext wird auch auf die Informationsvorlage 2022/IV/3188 verwiesen.

Sollten die Budgets auch künftig positiv von den Bürgern/Bürgerinnen angenommen werden, besteht bei entsprechender Verwendungsquote die Möglichkeit, in den kommenden Jahren über eine Erhöhung im Rahmen der Haushaltsplanung zu entscheiden.

Neben der direkten Beteiligung über die Ortsbeiräte steht den Bürgern/Bürgerinnen außer

dem die Möglichkeit zur Verfügung, sich mittels IKVS interaktiv über den städtischen Gesamthaushalt zu informieren. Zusätzlich wurde kurzfristig die E-Mail-Adresse buergeranfragen.haushalt@rostock.de eingerichtet, die Interessierten die Möglichkeit eröffnet, sich mit Rückfragen zum Haushaltsplan direkt an das Kämmereiamt zu wenden. Bürger/-innen finden diese Kontaktmöglichkeit auf der städtischen Website unter den Rubriken Service – Ämter – Kämmereiamt - Haushaltspläne.

 

Darüber hinaus fand kürzlich ein Gespräch mit dem Bereich Smart City statt. Dort ist die Internetplattform „Smile City“ am Anfang der Abstimmung mit den Ämtern und somit am Beginn der Konzeptualisierung. Für einen zukünftigen Bürgerhaushalt der Hanse- und Universitätsstadt Rostock könnten sich dadurch erste Umsetzungspotenziale ergeben, die zeitnah mit dem genannten Bereich vorabgestimmt werden. Zwar kann derzeit noch nicht beurteilt werden, ob ein Vorschlags-Bürgerhaushalt in Gänze über die Plattform abgewickelt werden könnte, dennoch wird mindestens eine abgeschwächte Form der Mitsprache für Bürger-/innen möglich sein. Allein durch Informationsbündelung und entsprechendes Marketing könnte bereits ein deutlicher Zuwachs an Bürgernähe und Interesse am städtischen Haushalt erzielt werden. Durch die Implementierung von Möglichkeiten, der Verwaltung konkrete Vorschläge zu unterbreiten, könnte auch ohne öffentliche Diskussion und Bewertung einzelner Vorschläge die Rolle der Bürger/-innen gegenüber dem Haushalt gestärkt werden.

 

Link zur Auswertung der Kommunalen Bürgerinnen- und Bürgerumfrage 2021 – Broschüre „Statistische Nachrichten - Umfrage zu den Themen Umwelt und Verkehr 2021“

 

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Finanzielle Auswirkungen:

 

- keine – 

 

 

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Dr. Chris von Wrycz Rekowski
Erster Stellvertreter des Oberbürgermeisters

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Beschlüsse

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15.09.2022 - Finanzausschuss - zur Kenntnis gegeben

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22.09.2022 - Ausschuss für Stadt- und Regionalentwicklung, Umwelt und Ordnung - zur Kenntnis gegeben

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28.09.2022 - Bürgerschaft - zur Kenntnis gegeben