Beschlussvorlage - 2016/BV/2172

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag:

Die Hansestadt Rostock optiert zur Anwendung des bisherigen Umsatzsteuerrechts
§ 2 Abs. 3 UStG. (Die Hansestadt Rostock wendet die Übergangsregelung gemäß § 27
Abs. 22 UStG - vorbehaltlich eines etwaigen Widerrufs - für ihr gesamtes Unternehmen an.)

Der Abgabe der Optionserklärung gemäß § 27 Abs. 22 UStG an das Finanzamt Rostock, handelnd durch den Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock als gesetzlichem Vertreter, wird zugestimmt.

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Beschlussvorschriften:                            § 22 Abs. 2 KV M-V

 

bereits gefasste Beschlüsse:                            keine

 

Sachverhalt:

Durch das Steueränderungsgesetz vom 02.11.2015 wurden die Regelungen zur Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) neu gefasst.

§ 2 Abs. 3 UStG (Umsatzsteuergesetz) wurde aufgehoben und § 2b UStG neu in das Umsatzsteuergesetz eingefügt.

Die Änderungen treten am 01.01.2017 in Kraft (formelle Aufhebung bereits zum 01.01.2016).

Die Neuregelung wird von einer Übergangsregelung in § 27 Abs. 22 UStG begleitet, auf deren Grundlage eine jPdöR dem Finanzamt gegenüber erklären kann, das bisher geltende Recht (§ 2 Abs. 3 UStG) für sämtliche vor dem 01.01.2021 ausgeführten Leistungen weiterhin anzuwenden (Optionserklärung).

Die Optionserklärung ist bis zum 31.12.2016 abzugeben. Sie kann mit Wirkung vom Beginn eines auf die Abgabe folgenden Kalenderjahrs an widerrufen werden. Die Erklärung ist an keine bestimmte Form gebunden, soll zum Nachweis aber schriftlich erfolgen und deutlich machen, dass die Altregelung des § 2 Abs. 3 UStG weiterhin angewendet wird (Muster siehe Anlage).

Die Optionserklärung ist durch den gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten gegenüber dem zuständigen Finanzamt abzugeben. In der Fachpresse und den einschlägigen Gremien wird als Grundlage für die Abgabe der Optionserklärung bei jPdöR die Einholung eines Beschlusses der Gemeindevertretung empfohlen.

Nach der alten Rechtslage (§ 2 Abs. 3 UStG) unterliegen jPdöR der Umsatzsteuer im Rahmen ihrer Betriebe gewerbliche Art (BgA).

Das Umsatzsteuerrecht knüpft mit dem Begriff des BgA an das Körperschaftsteuerrecht an: Eine jPödR ist nach § 2 Abs. 3 UStG nur Unternehmer, wenn ein BgA nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 KStG (Körperschaftsteuergesetz) vorliegt.

Diese gesetzliche Regelung steht im Widerspruch zum europäisch harmonisierten Umsatzsteuerrecht – Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) – und in der in Folge dessen ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Europäischen Gerichtshofes.

Ziel des Gesetzgebers war die Umsetzung der Rechtsprechung zur EU-Konformität.

Durch die Streichung des § 2 Abs. 3 UStG – und damit der Abkopplung der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft vom BgA nach dem KStG – wird der Umfang der umsatzsteuerlich relevanten Tätigkeiten von jPdöR erweitert:

Nach neuem Recht (Wegfall des § 2 Abs. 3 UStG, Einführung § 2b UStG) sind Leistungen von jPdöR umsatzsteuerbar, wenn

-          diese auf öffentlicher-rechtlicher Grundlage erbracht werden bzw. jPdöR im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen (nach § 2b UStG) und deren Nichtbesteuerung zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde

oder

-          diese auf privatrechtlicher Grundlage erbracht werden (nach § 2 Abs. 1 UStG) (unabhängig von der Frage des Wettbewerbs).

 

Z.B. werden folgende, bisher nicht umsatzsteuerbare Einnahmen/Erträge umsatzsteuerbar:

-          Einnahmen aus Vermögensverwaltung (z.B. reine Vermietung von Grundstücken)

-          Umsätze unter der „BgA-Aufgriffsgrenze“ von 35.000 €/Jahr (ein Kriterium für das Vorliegen eines BgA ist das Überschreiten der Umsatzgrenze)

-          Beistandsleistungen (auch „Amtshilfe“, entgeltliche Leistungen zwischen verschiedenen jPdöR, z.B. Überlassung einer Turnhalle für den Schulsport der Nachbargemeinde), soweit nicht im Einzelfall die Ausnahmeregelung gemäß § 2b Abs. 2 oder Abs. 3 UStG einschlägig sind.

 

Die Neuregelung der Umsatzbesteuerung der jPdöR erfordert eine (Erst-)Bestandsaufnahme und Beurteilung sämtlicher Einnahmen/Erträge bzw. Leistungen der Hansestadt Rostock (Basis sind die 189 Produkte mit 929 bebuchten Ertragskonten aus 2015, die ihrerseits eine Vielzahl von unterschiedlichen Geschäftsfällen enthalten).

In Folge der Bestandsaufname und deren Auswertung sind

-          Einzelfragestellungen zu klären,

-          Mitarbeiter der Organisationseinheiten im neuen Umsatzsteuerrecht zu schulen,

-          Ergebnisse der Bestandsaufnahme auszuwerten, auch in den Organisationseinheiten (z.B. welche Leistungen sind nun umsatzsteuerbar, ggf. welcher Steuersatz),

-          Vorkehrungen für die Umsetzung der Ergebnisse zu treffen (z.B. Anpassung Rechnungsvordrucke und Entgeltordnungen aufgrund nun umsatzsteuerbarer Leistungen) – haushalterische, organisatorische, technische Umsetzung

-          Ermittlung des Vorsteuerabzugspotentials bzw. Sondierung des zukünftigen Vorsteuerabzugs (welche Leistungen der Hansestadt Rostock sind künftig umsatzsteuerpflichtig und ermöglichen somit einen Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen, der die finanzielle Belastung mindert),

-          Vertragsinventur und Vertragsanpassungen prüfen,

-          Gestaltungsmöglichkeiten und Steueroptimierungen zu prüfen.

Aufgrund der Komplexität des Gesamtvorgangs wird eine Vorlaufzeit bis zur Umstellung auf neues Umsatzsteuerrecht benötigt.

Gegenwärtig ist nicht abschätzbar wie lange o.g. Prozess dauern wird; spätestens zum 01.01.2021 muss die Umstellung erfolgt sein.

Die Umstellung auf § 2b UStG bzw. der Widerruf der Optionsausübung ist während der Übergangsfrist nur einheitlich für das gesamte Unternehmen der Hansestadt Rostock zulässig. Dies bedeutet, dass entweder für alle Bereiche der Hansestadt Rostock insgesamt nur altes oder nur neues Recht zulässig ist.

Infolge der Inanspruchnahme der Übergangsregelung könnten sich finanzielle Nachteile ergeben: Dies wäre der Fall, wenn im Nachhinein bzw. nach Abschluss der Bewertung der Bestandsaufnahme und Ermittlung des Vorsteuerabzugspotentials in der Gesamtbetrachtung festzustellen wäre, dass während des Übergangszeitraumes Vorsteuerpotentiale überwiegen.

 

Auch ein vorschneller Übergang zur Umsatzbesteuerung nach § 2b UStG könnte negative finanzielle Folgen haben:

 

-          Ein Anwendungsschreiben zur Auslegung des § 2b UStG steht seitens der Finanzverwaltung noch aus, so dass das Risiko einer Fehlinterpretation der unbestimmten Rechtsbegriffe bestünde, was wiederum zu einem unberechtigtem Umsatzsteuerausweis führen und somit eine Zahllast nach sich ziehen könnte.

-          Dieses Risiko bestünde ebenfalls, wenn ohne abgeschlossene Bestandsaufnahme, Auswertung und Umsetzung (Implementierung des § 2b UStG) ab 01.01.2017 neues Recht angewendet würde und „pauschal“ Rechnungen mit Umsatzsteuer erstellt würden.

 

Praktisch besteht keine Möglichkeit zur Anwendung des neuen Rechts ab 01.01.2017. Es kann nicht sichergestellt werden, dass alle umsatzsteuerbaren Leistungen gegenüber der Finanzbehörde erklärt und die zu zahlende Umsatzsteuer abgeführt wird. Dies birgt auch das Risiko der Steuerverkürzung/-hinterziehung.

 

Der Wortlaut der gesetzlichen Regelungen ist als Anlage „Auszug aus dem UStG“ beigefügt. 

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Finanzielle Auswirkungen:

Im laufenden Haushalt keine, für zukünftige Haushalte nicht bezifferbar.

 

 

 

Bezug zum Haushaltssicherungskonzept: -

 

 

 

 

Roland Methling

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Anlagen

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Beschlüsse

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03.11.2016 - Finanzausschuss - ungeändert beschlossen

Erweitern

09.11.2016 - Bürgerschaft - ungeändert beschlossen