Stellungnahme - 2015/AN/1426-01 (SN)

Reduzieren

Beratungsfolge

Reduzieren

Sachverhalt:


Gemäß Geschäftsanweisung Nr. 1/37 (Pkt. 13) in Verbindung mit § 7 Abs. 5 der Geschäfts-ordnung der Bürgerschaft nehmen wir in vorbezeichneter Angelegenheit wie folgt Stellung:

 

 

 

  1. Tierschutzrechtliche Bewertung

 

Nach dem Tierschutzgesetz ist das Betreiben von Zirkussen mit Tieren (einschließ-lich Wildtiere) erlaubnispflichtig. Im Rahmen der Erlaubniserteilung werden Auflagen zu den Haltungsbedingungen der Tiere erteilt. Diese Auflagen stützen sich auf die Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft vom 04.08.2000. In diesen Leitlinien sind die Mindestanfor-derungen an die Haltung und Betreuung folgender Tierarten geregelt:

Groß- und Kleinkatzen, Großbären, Robben, Elefanten, Pferdeartige, Nashörner, Giraffen, Kamele und Rinder. An den einzelnen Gastspielorten sowie im Winter-quartier werden amtstierärztliche Kontrollen, in denen die Einhaltung der Haltungs-anforderungen überprüft wird, durchgeführt. Diese Mindeststandards werden in den meisten Fällen eingehalten. Wenn die Anforderungen von den Zirkusbetrieben erfüllt werden, gibt es im Rahmen der Zuständigkeit der Veterinär- und Lebensmittel-überwachungsämter nach der heutigen Rechtslage keine Möglichkeit, das Gastieren eines Zirkus mit Wildtieren auf tierschutzrechtlicher Grundlage zu untersagen.

 

 

 

 

 

  1. Tierärztliche Bewertung

 

Aus tierärztlicher Sicht befürwortet das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt ein generelles Verbot von Wildtieren im Zirkus auf Reisen. Dieser Standpunkt wird auch durch die Stellungnahme der Bundestierärztekammer vom 20.04.2010 gestützt. Eine artgemäße und verhaltensgerechte Wildtierhaltung ist im Zirkus praktisch nicht möglich. Eine bundesrechtliche Regelung zu diesem Verbot mit Festlegung einer Übergangsfrist würde u. E. die tiergerechteste Lösung darstellen, da die im Zirkus aufgewachsenen Wildtiere nicht ihrem gewohnten Umfeld entrissen werden müssten. Für die Zirkusse böte eine Übergangsfrist die Chance, sich ohne wirtschaftliche Überforderung inhaltlich auf das Wildtierverbot einzustellen.

 

 

  1. Rechtliche Bewertung

 

Zu der zu entscheidenden Problematik existiert unterschiedliche Rechtsprechung.

So hat das Verwaltungsgericht München eine Beeinträchtigung von Rechten eines Zirkusbetriebes aufgrund der Versagung einer Nutzungsfläche wegen Mitführens von Wildtieren verneint. Die Verwaltungsgerichte Darmstadt und Chemnitz haben jedoch im einstweiligen Anordnungsverfahren einen Anspruch auf Abschluss eines Nutzungsvertrages anerkannt. Danach ist für die Frage der Zulassung zur Nutzung letztlich der Widmungszweck der Fest- und Veranstaltungsplätze ausschlaggebend. Hervorzuheben ist auch, dass der Bundesgesetzgeber einer entsprechenden Bundesratsinitiative bislang bewusst nicht gefolgt ist, mithin ein bundesweites Verbot von Wildtieren in Zirkussen ablehnt. Faktische Verbote entsprechender Zirkusse sind daher nur durch den Nichtabschluss von Mietverträgen für städtische Flächen zu erreichen.

Aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit empfiehlt das Rechtsamt daher, den Antrag in einen Prüfauftrag umzuwandeln. Es eröffnet die Möglichkeit, das Vorgehen mit der Rechtsaufsicht abzusprechen.

 

 

  1. Prüfung der finanziellen Auswirkungen

 

Im Durchschnitt gastieren in Rostock 4 Zirkusse pro Jahr. Von einem Auftrittsverbot für Zirkusse mit Wildtieren (nach der von Bündnis 90/Die Grünen vorgeschlagenen Tierartenliste – ohne Kamelartige und Reptilien) wären vor allem die Zirkusse „Probst“, „Berolina“ und „Voyage“ betroffen, die in den letzten Jahren regelmäßig in Rostock gastierten, wobei Zirkus Probst seit Einführung des Mindestlohnes nicht mehr auf Tournee geht, sondern als Projektzirkus mit Grundschulen zusammen-arbeitet.

 

Zirkusse, wie „Renz“, „Roncalli“, „Werona“, „Circuspalast“, „Humberto“, „Monaco“, die fast ausschließlich mit Haustieren (Pferde, Esel, Ziegen, Hunde, Tauben) arbeiten, könnten weiterhin in Rostock auftreten.

 

Einige Zirkusse haben keine eigenen Wildtiere, sondern engagieren Tiernummern mit Wildtieren, wie z.B. Zirkus „Las Vegas“ oder Zirkus „Humberto“. Diese könnten mit ihrem eigenen Tierbestand auch weiterhin in Rostock spielen.

 

Für das Jahr 2016 erhielt der Zirkus „Fliegenpilz“ bereits einen Flächennutzungs-vertrag für den Zeitraum vom 01.-11.09.2016 im Bereich Stadthafen (Genehmigung von 8 Pferden, 5 Hunden, 20 Tauben, Enten und Gänse).

 

Der Zirkus „Monaco“ hat für den Zeitraum vom 31.03.-03.04.16 die Mühlenwiese in Dierkow reserviert (1 Esel, 2 Kamele, 4 Lamas, 1 Steppenrind, 6 Ponys, 2 Ziegen, 3 Hunde).

 

Finanzielle Mehraufwendungen sind mit einem Auftrittsverbot für Zirkusse mit Wildtieren in der Hansestadt Rostock nicht verbunden.

 

Aus der Vermietung städtischer Flächen zur Nutzung durch Zirkusse ergeben sich aktuell Erträge von 5.900,00 € pro Jahr. Im Fall eines Auftrittsverbots für Zirkusse mit Wildtieren würde sich diese Summe um einen Teilbetrag reduzieren.

 

Auswirkungen auf das bestehende Haushaltssicherungskonzept bestehen nicht.

 

 

  1. Abschließende Bewertung

 

Die rechtssichere Umsetzung eines Wildtierverbots für Zirkusse auf städtischen Flächen ist vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit mit erheblichen juristischen Hürden verbunden.

Der vorliegende Antrag sollte daher in einen Prüfauftrag abgeändert werden, um möglichst im Konsens mit den Zirkusbetreibern den Tierschutzbelangen weitestgehend Rechnung zu tragen.

 

Reduzieren

 

 

 

 

Dr. Chris Müller
Senator für Finanzen, Verwaltung und Ordnung

Loading...

Beschlüsse

Erweitern

02.03.2016 - Bürgerschaft - zur Kenntnis gegeben

Erweitern

06.04.2016 - Bürgerschaft - zur Kenntnis gegeben