Informationsvorlage - 2011/IV/2028

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Beratungsfolge

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Ausgangssituation

 

Seit 2002 befindet sich die psychiatrische Versorgungslandschaft in M-V, so auch in der HRO, in einer Umbruchsituation. Mit der Übertragung der Zuständigkeiten der Aufgaben (hier speziell der Eingliederungshilfe nach dem BSHG, später SGB XII) des überörtlichen Trägers in die Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers übernahm das damalige Sozialamt die Koordination eines Prozesses, der vorrangig den gesetzlichen Auftrag „ambulant vor stationär“ umzusetzen hatte. Das bedeutete, ein System zu entwickeln, welches lebensfeld- und wohnortnahe und personenzentrierte Hilfen in einer gemeindepsychiatrischen Versorgungsstruktur integriert.

 

Lösungsansätze für die Integration, Koordination, Planung und Bemessung von Hilfen für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen fanden sich in den aus dem Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit „Personalbemessung im komplementären Bereich der psychiatrischen Versorgung“ seit 1996 hervorgegangenen personenzentrierten Modellen und Konzepten.

 

Für unser Amt bedeutete es eine Hilfeplanung (IBRP – integrierter Behandlungs- und Rehabilitationsplan) in der Einheit mit zentralen Hilfeplankonferenzen sowie eine verbundförmige Organisation aller psychiatrischen Hilfen zu organisieren. Mit der erstmaligen Unterzeichnung des trägerübergreifenden Versorgungsvertrages gem. § 75 SGB XII 2005 zwischen der Kommune und dem GPLV (gemeindepsychiatrischer Leistungserbringerverbund) AWO, GGP über eine zeitbasierte Leistungsfinanzierung auf der Grundlage eines gedeckelten regionalen Psychiatriebudgets wurde es möglich, Leistungen zeitlich bedarfsgerecht zu planen. Seit 01.01.2007 ist auch der Kommunale Sozialverband M-V Vertragspartner.

 

Aus der zeitlichen Bedarfsplanung wurden 12 Hilfeempfängergruppen entwickelt. Diese wiederum bildeten die Grundlage für die Finanzierungsumstellung von platzbezogener Finanzierung auf eine personenzentrierte Finanzierung nach Minutenpreisen.

 

Berechnung des Leistungsbudgets

 

Der Berechnung des Minutenpreises gingen die Berechnungen des Gesamtleistungsbudgets und des monetären Wochenbudgets voraus.

Um  eine kostenneutralen Umstellung zu erreichen, ließ es sich nicht vermeiden, von den alten Personalanhaltszahlen (Personalschlüssel) für die einzelnen Einrichtungen auszugehen, die dann für  die Gesamtleistungszeit für den Verbund hochgerechnet wurden. Auf dem Weg dahin war das Verhältnis zwischen personenbezogenen und nicht personenbezogenen Leistungen zu bestimmen und der Berechnung zugrunde zu legen. Dabei wurde ausgehend von den Empfehlungen der Expertenkommission der Bundesregierung ein Anteil der personenbezogenen Leistungen von durchschnittlich 60 % angenommen. Schließlich wurde die Leistungszeit über alle Einrichtungen des Verbundes zur Gesamtleistungszeit aufsummiert. (Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.: Von institutions- zu personenzentrierten Hilfen in der psychiatrischen Versorgung. Bericht zum Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit: „Personalbemessung im komplementären Bereich der psychiatrischen Versorgung“. Baden Baden: Nomos Verlag, 1999, S. 215 ff )

 

 

Berechnung des monetären Budgets

 

Vor der Budgetberechnung mussten zunächst einmal neue Entgeltkomplexe gebildet werden, da bei der gegenwärtigen tradierten Vergütungsaufteilung in Grund- (GP) und Maßnahmepauschale (MP) sowie Investitionsbetrag (IB) die Personenbezogenheit der Kostenanteile unberücksichtigt blieb. Das neue Entgelt unterteilt sich deshalb in vier Entgeltkomplexe: Maßnahmepauschale, Investitionsbetrag (IB), Sockelbetrag (SB) und die so genannten Vorhaltekosten (VHK). Insbesondere in den Vorhaltekosten finden sich nicht personenbezogene Entgeltbestandteile, wie Kosten für die Nachtwachen oder Kosten für eine niedrigschwellige Kontaktstelle.

 

Auf Grundlage der vereinbarten täglichen Vergütung pro Einrichtung wurde eine tägliche Summe, bestehend aus Maßnahmepauschale und Sockelbetrag ermittelt. Diese tägliche Summe aus Maßnahmepauschale und Sockelbetrag wird dann auf Grundlage der tatsächlichen Auslastung (Referenzwert September/2004) mit dem Multiplikator 365 im Bereich Wohnen und 252 im Bereich Tagesstätten auf eine jährliche Summe hochgerechnet.

Die für die Berechnung des Minutenpreises notwendige Umrechnung auf eine wöchentliche Summe wird durch Division der jährlichen Summe durch Faktor 52,146 erreicht.

In einem weiteren Schritt werden dann die wöchentlichen Beträge pro Angebot für den Anbieterverbund aufsummiert.

Der Minutenpreis errechnet sich schließlich per Division des monetären wöchentlichen Gesamtpsychiatriebudgets durch das wöchentliche Gesamtleistungsbudget.

 

 

Steuerung

 

Es wurde eine Steuerungsgruppe initiiert, um den zu erwartenden Schwierigkeiten in der Umstellungsphase rechtzeitig zu begegnen. Eine wichtige Aufgabe dieser Steuerungsgruppe war insbesondere die Durchführung der formativen Evaluation des Gesamtprojektes. Beginnend mit Budgetkontrollberichten der Träger über die Messung der Ergebnisqualität bis hin zur Leistungserfassung.

Die Gruppe nahm dann eine einheitliche Bewertung vor, ergriff Maßnahmen und intervenierte bei Problemen. Insbesondere wurde über die Auslastung des Budgets innerhalb der vereinbarten 5 % diskutiert.

Eine weitere Aufgabe der Steuerungsgruppe lag in der Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit der Hilfen. Diese Aufgabe wurde in enger Zusammenarbeit mit der regionalen HPK und der Psychiatriekoordination bewältigt. Auch hier ergab sich aus Sicht der Steuerungsgruppe in den ersten Jahren kein Handlungsbedarf, weil die Träger selbst sehr schnell auf neue Bedarfssituationen durch Verlagerung von Ressourcen sowie auf strukturelle und konzeptionelle Veränderungen in den Einrichtungen reagieren konnten.

Erst drei Jahre nach der Finanzierungsumstellung im Jahre 2007 wurde das Budget aufgestockt, da die erwarteten Fallzahlsteigerungen nicht mehr zu kompensieren waren.

Weiterhin überwachte die Steuerungsgruppe die Erfüllung vereinbarter Kennziffern. Dabei war zu prüfen, inwiefern das System erfolgreich eingliederte und seiner Pflichtversorgung nachkam oder ob zunehmende Wartelisten für Einzelangebote dem entgegenstanden.

 

 

Ergebnisse der Finanzierungsumstellung

 

Durch die personenbezogene Finanzierung sind Einrichtungen, die nicht an Bettenplatzkennziffern gebunden sind, in der Lage mehr Menschen mit den gleichen Ressourcen und zur vereinbarten Qualität zu versorgen.

Das kreative Potenzial der Träger wurde angesprochen und effizient genutzt. So sind z.B. „virtuelle Tagesstätten“ entstanden, welche in der Lage sind, bedeutend mehr Nutzern ein adäquates Angebot zu machen, ohne dass neue Einrichtungen entstehen müssen.

Durch eine höhere Effizienz der Maßnahmen und die Mehrversorgung in den Einrichtungen, konnte ein nicht unerheblicher Kostenanstieg verhindert werden.

Dazu trug auch die verbesserte Leistungstransparenz bei, welche ein optimiertes Belegungsmanagement und damit eine bessere Nutzung der vorhandenen Ressourcen ermöglichte.

 

Im Wesentlichen lässt sich dieses Ergebnis auf folgende Entwicklungen zurückführen:

Ø      bedarfsgerechte Hilfebemessung durch Hilfeempfängergruppen gem. § 76 (2) SGB XII

Ø      struktureller Umbau („Virtualisierung“) der Tagesstätten

Ø      Flexibilisierung von Anwesenheitsregelungen in den Tagesstätten

Ø      verstärkte Verpflichtung vorrangiger Kostenträger

Ø      bessere Auslastung vorhandener Ressourcen durch aussagefähige Leistungsdaten

Ø      zufriedenstellende Ergebnisqualität

Ø      Umwandlung stationärer Heimeinrichtungen.

                 

Eine wichtige Benchmark für jede Budgetfinanzierung sind die Kosten pro Tag/Fall, welche infolge der Mehrversorgung im Rostocker Hilfesystem, um ca. 3,15 € pro Tag und Fall gemindert werden konnten.

 

 

Schlussbemerkungen

 

Abschließend kann eingeschätzt werden, dass die HRO gut aufgestellt ist, um den Beschluss der Bund- Länder- Kommission vom 14.09.2010 in der Zukunft zu realisieren.

 

Nämlich

- von überwiegend einrichtungszentrierter Hilfe zu personenzentrierter Hilfe

- Versorgung und Teilhabeleistung darf nicht länger an die Wohnform gebunden sein

 

 

 

 

 

 

Dr. Liane Melzer

 

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Beschlüsse

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30.03.2011 - Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Migration - zur Kenntnis gegeben