Beschlussvorlage - 2024/BV/5113

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag:

 

1. Gegen den Runderlass der Abteilung Soziales und Integration Nr. 26/2023 vom 19.10.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Sport Mecklenburg-Vorpommern vom 01.02.2024 ist Klage zu erheben, mit dem Ziel, die anteilige Kostenerstattung in der jetzigen Form (vgl. § 12 AG-SGB IX M-V, § 17 AG-SGB XII M-V) zu beseitigen und den Landesgesetzgeber zur Schaffung einer verfassungskonformen Regelung zu verpflichten (vgl. Art. 72 Abs. 3 Verf M-V). Mit der Prozessführung und Vertretung in diesem Verfahren ist die Kanzlei "DOMBERT RECHTSANWÄLTE Partnerschaftsgesellschaft mbB", Konrad-Zuse-Ring 12A, 14469 Potsdam, zu beauftragen.

 

2. Für die Dauer des Klageverfahrens gegen den Runderlass vom 19.10.2023 ist sämtlichen zukünftigen Runderlassen über die Festsetzung der Jahresnettoauszahlungen der Eingliederungs- und Sozialhilfe der Abteilung Soziales und Integration ebenfalls zu widersprechen. Gegen die ggf. ergehenden Widerspruchsbescheide ist jeweils Klage zu erheben, wobei die Verfahren, soweit dieses möglich ist, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Runderlass vom 19.10.2023 ruhend gestellt werden sollen.

 

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Beschlussvorschriften:
§ 22 Abs. 2 Kommunalverfassung M-V
 

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Sachverhalt:

 

Nach der Rechtsauffassung der Ämter Amt für Soziales und Teilhabe, Amt für Finanzen und Planung – Jugend und Soziales und Rechts- und Vergabeamt genügen die landesrechtlichen Bestimmungen über die anteilige Erstattung der Kosten der Hanse- und Universitätsstadt Rostock als Trägerin der Sozialhilfe bzw. Eingliederungshilfe nicht den Anforderungen, welche in Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Verf M-V niedergelegt sind. Die übertragenen Aufgaben führen unstreitig (das Land hält die Aufgabenübertragung selbst für konnexitätsrelevant) zu einer Mehrbelastung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock als Trägerin der Sozial- bzw. Eingliederungshilfe.

Diese Mehrbelastungen werden durch das Land M-V nicht entsprechend ausgeglichen. Dieses gilt sowohl für die Kosten der eigentlichen Leistungserbringung als auch für die Verwaltungskosten. Gegen die benannten Vorschriften kann aufgrund Fristablaufes keine Verfassungsbeschwerde mehr erhoben werden. Die genannten Vorschriften über die Kostenerstattung können daher nur noch im Wege der Prüfung von Anwendungsfehlern Gegenstand von Verfahren sein. Gegen die Festsetzungen der Leistungskostenerstattung (Runderlass der Abteilung Soziales und Integration Nr. 26/2023) hat die Hanse- und Universitätsstadt Rostock Widerspruch erhoben. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 01.02.2024 (siehe Anlage 1) zurückgewiesen, sodass die Voraussetzungen für die Einleitung des Klageverfahrens gegeben sind. Es wird auf die Ausführungen der Kanzlei Dombert Rechtsanwälte vom 05.02.2024 (siehe Anlage 2) verwiesen. Danach wären sowohl eine Verpflichtungs- als auch eine Leistungsklage unzulässig. Aus diesem Grunde empfehlen die anwaltlichen Berater die Erhebung einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage. Die Erfolgsaussichten der Klageverfahren sind zum jetzigen Zeitpunkt offen. Aus Sicht des Amtes für Soziales und Teilhabe ist eine gerichtliche Entscheidung über die unterschiedlichen Erstattungsregelungen für die Landkreise und kreisfreien Städten zwingend geboten.

 

Der Vollständigkeit halber ist jedoch auf das sehr hohe Prozess- und Kostenrisiko hinzuweisen. Für die Durchführung der Klageverfahren (mit allen Instanzen) können im Ernstfall Anwalts- und Gerichtskosten von bis zu 926.794,42 Euro anfallen. Insoweit wird ebenfalls auf die Ausführungen der Kanzlei Dombert Rechtsanwälte vom 05.02.2024 verwiesen. Infolge dessen bestehen auch gewisse Unsicherheiten im Bereich des Haushaltsrechts, die nicht abschließend ausgeräumt werden können. Allerdings stehen die Verfahrenskosten in einem angemessenen Verhältnis zu einer möglichen Erstattungsquote von 82,5 %. Diese entspricht einer Mehreinnahme i. H. v. jährlich mindestens 7.216.125 Euro.

 

Aufgrund des klaren Bezuges zum Verfassungsrecht bzw. Finanzverfassungsrecht ist die Beauftragung juristischer Spezialisten erforderlich. Die komplizierte Rechtsmaterie würde zu einem erheblichen zeitlichen Aufwand bei der Einarbeitung der eigenen Mitarbeiter führen. Gleichzeitig liegt in verfassungsrechtlichen Angelegenheiten (u. a. auch Prozessführung) - aufgrund der Seltenheit dieser Verfahren - kein umfangreiches Fach- und Expertenwissen vor. Die zeitlichen Rahmenbedingungen für die Aneignung dieses Wissens sind nicht gegeben. Gegen den Widerspruchsbescheid des Landes müssen binnen Monatsfrist (inhaltliche) Einwendungen erhoben werden. Die Kanzlei Dombert Rechtsanwälte hat die Hanse- und Universitätsstadt Rostock in dem hochkomplexen Themenfeld bereits in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren erfolgreich vertreten und tut dieses aktuell in einem noch laufenden Normenkontrollverfahren vor dem BVerwG. Die benannte Kanzlei verfügt über umfangreiches Spezialwissen. Dieses betrifft zum einen die einschlägige Rechtsmaterie (Verfassungsrecht und Verfassungsprozessrecht) und zum anderen die konkreten Arbeitsabläufe innerhalb der Sozialverwaltung der Hanse- und Universitäts-stadt Rostock. Bereits aus Effektivitätsgesichtspunkten ist die Beauftragung der o. g. Kanzlei zweckmäßig.

 

Bei der Vergabe von Rechtsdienstleistungen handelt es sich um freiberufliche Leistungen i. S. d. Ziffer 2.1 des Vergabeerlasses. Insbesondere bei Leistungen, die nach Art und Umfang vor der Vergabe nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden können, dass hinreichend vergleichbare Angebote erwartet werden können, kann darauf verzichtet werden, mehr als ein Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern, Ziffer 2.2.3 Satz 2 des Vergabeerlasses. Dieses ist bei den hier zu vergebenden Rechtsdienstleistungen der Fall. Der konkrete Beratungsbedarf kann im Vorfeld nicht abschließend beurteilt werden. Viele Fragen ergeben sich erst in den Verfahren selbst. Die Beauftragung der Kanzlei muss daher global erfolgen, um zu vermeiden, dass Nachfolgeaufträge erteilt werden müssen. Ferner kann über Ziffer 2.2.2 Satz 2 des Vergabeerlasses auf § 8 Abs. 4 der UVgO zurückgegriffen werden.

Gemäß § 8 Abs. 4 Nr. 10 UVgO kann der Auftraggeber Aufträge im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn die Leistung nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann. Dieses ist hier der Fall (s. o.). Aufgrund der Vorkenntnisse und der laufenden Fristen kommt allein die Beauftragung der Kanzlei Dombert Rechtsanwälte in Frage. Anderweitige Rechtsbeistände müssten zudem umfangreich eingearbeitet werden und verfügen nicht über die erforderlichen Spezialkenntnisse der Kanzlei Dombert Rechtsanwälte. Im Übrigen wird die Kanzlei Dombert Rechtsanwälte aufgrund der Höhe des Streitwertes nach dem allgemeinen Gebührenrecht (RVG) abrechnen. Das RVG stellt eine staatliche Vergütungs-ordnung nach Ziffer 2.2.3 des Vergabeerlasses dar.

 

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Finanzielle Auswirkungen:

 

Der Hanse- und Universitätsstadt Rostock werden für das Jahr 2022 mit dem Runderlass Nr. 26/2023 vom 19. Oktober 2023 Jahresnettoauszahlungen für die Eingliederungs- und Sozialhilfe in Höhe von 68.724.999 EUR gem. § 13 Abs. 2 SGB IX M-V und § 18 Abs. 2 AG SGB XII anerkannt.

 

Gegen den Runderlass wurde mit Schreiben vom 16.11.2023 fristgemäß beim Ministerium für Soziales, Gesundheit und Sport Mecklenburg-Vorpommern Widerspruch erhoben. Dieser wurde als zulässig aber unbegründet zurückgewiesen.

 

Derzeit/Aktuell beträgt der Erstattungsanteil des Landes (Zielquote) für die übertragenen Aufgaben 72 von Hundert (siehe § 17 Abs. 2 Punkt 1 AG SGB XII M-V i.V.m. § 12 Abs. 2 SGB IX M-V). Das Land M-V bestätigt Rostock für das vorvergangene Jahr eine Erstattung i.H.v. 49.481.999 EUR (72%).

 

Der örtliche Haushalt wird demzufolge mit 19.243.000 EUR belastet. Unser Ziel ist es, mindestens eine Angleichung an die Landkreise (82,5%) zu erreichen, um damit die zusätzlich zu finanzierenden Ausgaben auf 12.026.875 EUR zu schmälern. Der Gesamthaushalt der Hanse- und Universitätsstadt Rostock würde somit um 7.216.125 EUR entlastet werden. Wenngleich sich auch in diesem Zuge die Frage stellt und eine Überprüfung notwendig macht, ob die übertragenen Aufgaben des SGB IX die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Selbstverwaltung gem. § 2 Abs. 2 KV M-V erheblich übersteigt und eine einhundertprozentige Erstattung seitens des Landes M-V angemessen wäre.

 

Für die Beauftragung der Kanzlei Dombert Rechtsanwälte mit den hier notwendigen verfassungsrechtlichen Fachkenntnissen fallen im Rahmen einer Feststellungsklage Anwalts- und Gerichtskosten an (siehe Anlage 2). Das Gesamtprozesskostenrisiko über drei unterlegene Instanzen wird auf maximal 926.795 EUR geschätzt.

 

Zur Senkung des Kostenrisikos schlug die Kanzlei Dombert Rechtsanwälte den Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung zwischen der Hanse- und Universitätsstadt Rostock und der Landeshauptstadt Schwerin vor. Nach den bisherigen Auskünften ist die Landeshauptstadt Schwerin einer entsprechenden Vereinbarung nicht gänzlich abgeneigt. Ziel wäre es, mit der Landeshauptstadt Schwerin eine hälftige Kostenteilung der Gesamtkosten zu vereinbaren. Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass die Hanse- und Universitätsstadt Rostock das Kostenrisiko auch allein zu tragen bereit ist. Aus diesem Grunde sind bei den finanziellen Auswirkungen die vollen Verfahrenskosten zu berücksichtigen.

 

Die Verfahrenslaufzeiten in den unterschiedlichen Instanzen werden, laut Einschätzung der Kanzlei Dombert, über mehrere Jahre andauern. Für den Doppelhaushalt 2024/2025 wurden die ersten zwei Instanzen des Worst-Case-Szenarios berücksichtigt.


Kosten für offene oder noch ausstehende Instanzen sind in den zukünftigen Haushaltsplanungen zu berücksichtigen.

 

Teilhaushalt:   50 – Amt für Soziales und Teilhabe

Produkt:  31401   

Bezeichnung:   Eingliederungshilfe nach Teil 2 SGB IX

 

 

Haushalts-jahr

Konto / Bezeichnung

Ergebnishaushalt

 

Finanzhaushalt

 

 

Erträge

Aufwendungen

Einzahlungen

Auszahlungen

2024

56253000/76253000

Gerichts-, Anwalts-, Notar-, Gerichts-vollzieherkosten usw.

 

245.600 EUR

 

245.600 EUR

2025

56253000/76253000

Gerichts-, Anwalts-, Notar-, Gerichts-vollzieherkosten usw.

 

294.600 EUR

 

294.600 EUR

 

 

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Eva-Maria Kröger

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Anlagen

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Beschlüsse

Erweitern

28.02.2024 - Bürgerschaft - ungeändert beschlossen