Informationsvorlage - 2022/IV/3706

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Beratungsfolge

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Sachverhalt:

 

  1. Die Strategie zur Neukontingentierung der Wohnungsbauentwicklung in den Gemeinden des Stadt-Umland-Raums Rostock in Abhängigkeit zum städtischen Wohnungsmarkt wird nachfolgend zur Kenntnis gegeben.
  2. Die Verwaltung wird die Stellungnahmen zu Bauleitplanverfahren der Stadt-Umland-Gemeinden im Sinne des vorliegenden Positionspapiers verfassen.

 

Einleitung

Mit dem vorliegenden Positionspapier erfolgt eine Evaluation der zurückliegenden Wohnungsbauentwicklung in den Umlandgemeinden, um diese mit den regionalplanerischen Leitvorstellungen der Siedlungsflächenkonzentration in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock abzugleichen. Damit soll ein kurzes aber prägnantes wohnungswirtschaftliches Gesamtbild des Stadt-Umland-Raumes Rostock entstehen, welches für die Ableitung neuer Handlungserfordernisse zur weiteren Wohnflächenentwicklung unerlässlich ist. Dies impliziert insbesondere auch die städtischen und regionalen Bedarfe an Standorten für den Einfamilienhausbau bzw. von Einfamilienhaus ähnlichen Wohnformen.


Ausgangslage

Sowohl das Raumentwicklungsprogramm Region Rostock (REP RR) als auch der Entwicklungsrahmen für den Stadt-Umland-Raum Rostock (SUR-ER) enthalten Regelungen zur Wohnbauentwicklung im Stadt-Umland-Raum. Beide Dokumente beschränken die Wohnungsbauentwicklung auf den Eigenbedarf bzw. konzentrieren die Entwicklung auf privilegierte Standorte. Als Richtwert für die Höhe der Wohnungsbauentwicklung in den Umlandgemeinden wird im Stadt-Umland-Entwicklungsrahmen eine Zielzahl von bis zu 1.100 Wohneinheiten (WE) bis zum Jahr 2025 genannt (700 WE Eigenbedarf + 400 WE Privilegierung).  

Die Hanse- und Universitätsstadt Rostock wird bei der Aufstellung der Bauleitpläne der Stadt-Umland-Gemeinden sowohl als Nachbargemeinde im Sinne des § 2 Abs. 2 BauGB als auch dem besonderen Kooperations- und Abstimmungsgebot nach LEP Programmsatz       Z 3.3.3 (3) beteiligt. Die Hanse- und Universitätsstadt Rostock beruft sich im Rahmen ihrer Stellungnahme auf die ihr durch die Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen.

Mit Stand vom 20.01.2022 liegt ein Wohnungsbaumonitoring-Bericht des für die Regionalplanung zuständigen Amtes für Raumordnung und Landesplanung Region Rostock vor (Anlage). Entsprechend des vorliegenden Berichts wird ersichtlich, dass sich die Umlandkommunen des Stadt-Umland-Raums in der Summe positiver entwickelt haben als angenommen.

 

Bereits Ende des Jahres 2020 wurde die abgestimmte Wohnungsbauentwicklung, bezogen auf alle Umlandgemeinden des Stadt-Umland-Raumes, bereits um 100 Wohneinheiten überschritten. Der Überhang resultiert zum einen aus der Ausschöpfung von z.T. bereits vor dem Jahr 2017 rechtskräftig gewordenen Bebauungsplänen und zum anderen aus Entwicklungen, welche im Rahmen des § 34 BauGB „Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile“ (Innenentwicklung) baugenehmigt wurden. Die jeweiligen Bebauungsplanverfahren hat die Hanse- und Universitätsstadt Rostock im Rahmen der Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange als mit ihren Interessen als vereinbar gesehen, da diese mit o.g. Entwicklungsrahmen als interkommunal abgestimmt galten.

Seit dem 2. Halbjahr 2022 ist das interkommunal abgestimmte Wohnungsbaukontingent in der Summe ausgeschöpft, wobei die meisten Umlandgemeinden die ihnen zustehenden Wohneinheiten tatsächlich noch nicht vollständig realisiert haben. Insbesondere für jene Umlandgemeinden, in denen sich die Entwicklung schneller als angenommen vollzogen hat, fehlen entsprechende Regelungen zur Beurteilung weiterer Wohnentwicklungsabsichten.

Der Rostocker Wohnungsmarkt in Kürze

Wohnungs- und Wohngebäudebestand

Die Hanse- und Universitätsstadt Rostock weist seit dem Jahr 2000 einen kontinuierlichen Anstieg bei der Zahl der Wohnungen auf. Der Wohngebäudebestand hat in den letzten Jahren an Dynamik zugelegt mit einem Plus von rund 1.031 Wohngebäuden im Jahr 2020 und 1.553 Wohngebäuden im Jahr 2019.

Der Gesamtbestand an Wohngebäuden liegt im Jahr 2020 bei 22.027 in Rostock. Innerhalb der Wohngebäude sind rund 13.300 Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern (EZFH) und rund 108.500 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern (MFH) aufgeteilt. Die EZFH-Quote liegt damit in Rostock bei knapp 11%.


Im Vergleich mit Deutschland (EZFH-Quote: 45 %) oder anderen deutschen Städten ähnlicher Größe wie zum Beispiel in Erfurt (19 %), in der Hansestadt Lübeck (31 %) oder in Magdeburg (18 %) ist der Anteil von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern am gesamten Wohnungsbestand in Rostock niedrig.[1]  

Abbildung 1: Wohnungsbestand in Wohngebäuden nach Anzahl der Wohnungen 2000 bis 2020[2]

 

Flächenreserven für die weitere Wohnbauentwicklung  

Zur Deckung des Wohnbaubedarfs kann die Hanse- und Universitätsstadt Rostock zum Teil auf bestehende Potenziale aus dem wirksamen Flächennutzungsplan zurückgreifen. Rund 5.000 Wohnungen sind im Rahmen von bestehenden Bebauungsplänen bzw. im Rahmen von in Aufstellung befindlichen Bebauungsplänen planungsrechtlich gesichert.

Darüber hinaus wurden im Rahmen der Erfassung von Innenentwicklungspotenzialen (u.a. durch umfangreiche Analysen externer Gutachter sowie im Rahmen einer breiten Öffentlichkeitsbeteiligung [Innenentwicklungsforen]) ein mögliches Verdichtungspotenzial von bis zu 2.500 Wohnungen ermittelt.

Damit verfügt die Stadt insgesamt noch über ein Potenzial von 7.600 Wohnungen, welche auf Grundlage des wirksamen Flächennutzungsplans entwickelt werden können. Der Ein- und Zweifamilienhausanteil ist dabei äußerst gering (< 10 %).

Wohnungsleerstand

Lokale Leerstandsdaten werden statistisch nur beim Zensus erhoben. In den dazwischenliegenden Zeiträumen werden sie in Rostock weder von Wohnungseigentümern zur Verfügung gestellt, noch können sie in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken („Stromzählermethode“[3]) ermittelt werden. Deshalb nimmt die Fa. WIMES den Leerstand in den Fördergebieten der Stadt vor Ort auf. Für die anderen Stadtbereiche recherchiert die Fa. WIMES im Internet nach freien Wohnungen, die die Wohnungsunternehmen oder Privatpersonen anbieten. Die Wohnungsleerstandquote ist seit 2002 rückläufig und betrug 2020 demnach nur noch 0,9 % (2019: 0,9 %).

Wohnungsbestandsentwicklung im Stadt-Umland-Raum Rostock

Die Wohnungsbauentwicklung in den Gemeinden des Stadt-Umland-Raumes verlief in den zurückliegenden Jahren erwartungsgemäß positiv. Entsprechend der amtlichen Statistik wurden von Januar 2017 bis Dezember 2020 rund 804 neue Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden baufertiggestellt. Dies entspricht einem Neubauvolumen von rund 200 Wohnungen im Jahr. Ein Großteil des Neubauvolumens entfällt dabei auf das Segment des klassischen Ein- und Zweifamilienhausbaus.

Abbildung 2: Gegenüberstellung von abgestimmten und realisiertem Wohnungsneubau in den Umlandgemeinden (AfRL Region Rostock)

Dabei wird deutlich, dass das Wohnungsbauvolumen insb. in den Umlandgemeinden mit einer guten infrastrukturellen Ausstattung (Schulen, ÖPNV, etc.) zugenommen hat. Auffällig ist auch die Intensität des Wohnungsneubaus in den Umlandgemeinden des Stadt-Umland-Raums in Gänze. Unter Annahme einer gleichbleibenden Entwicklung ist das interkommunal abgestimmte Neubauvolumen für die Umlandgemeinden des Stadt-Umland-Raumes Rostock in den Jahren 2017 bis 2025 bereits Ende des Jahres 2022 aufgebraucht. Eine Ursache hierfür ist u.a. die zu geringe Wohnungsneubauintensität in der Stadt. Eine strikte Umsetzung der regionalplanerischen Vorgaben aus dem Raumentwicklungsprogramm Region Rostock und dem Stadt-Umland-Entwicklungsrahmen hätte nunmehr einen Wohnungsneubau-Stillstand zur Folge.

 

Handlungserfordernisse

Sowohl die Hanse- und Universitätsstadt Rostock als auch die Umlandgemeinden des Stadt-Umland-Raums haben sich in den vergangenen Jahren wohnungswirtschaftlich positiv entwickelt. Während in der Kernstadt Rostock der Neubau von mehrgeschossigen Wohngebäuden dominiert, ist in den Umlandgemeinden das klassische Ein- und Zweifamilienhaus die prägende Wohnform.

Mit Blick in die Zukunft wird der mehrgeschossige Wohnungsneubau auch weiterhin die prägende Wohnform in der Stadt sein, der Anteil am klassischen Ein- und Zweifamilienhausbau ist marginal bei unter 10% des gesamten Neubauvolumens.


Die vorliegende Haushalts- und Wohnungsnachfrageprognose für die Hanse- und Universitätsstadt Rostock bis zum Jahr 2035[4] führt hierzu insbesondere aus, dass in den vergangenen fünf Jahren ein mehr von rund 1.000 Wohnungen im Ein- und Zweifamilienhaussegment  in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock nötig gewesen wäre, um die Stadt-Umland-Abwanderung abzumildern (Nachholbedarf). Insgesamt beläuft sich das Neubauvolumen im Ein- und Zweifamilienhaussegment bis 2035 lt. Prognose auf 3.000 Wohnungen.

Unter oben genannten Prämissen muss der Wohnungsmarkt der Hanse- und Universitätsstadt Rostock als auch aller Gemeinden des Stadt-Umland-Raumes auf die Herausforderungen zur anhaltenden Nachfrage nach familiengerechtem Wohnraum ausgerichtet werden. Die Stadt befindet sich hier an einem Scheideweg. Einerseits muss der flächensparende Umgang mit Grund und Boden im Fokus der städtischen Planung stehen, andererseits die Ausrichtung des Wohnungsmarktes auf die tatsächliche Nachfrage. Insofern stehen der Hanse- und Universitätsstadt Rostock drei wesentlich Szenarien zur Auswahl, diese sind:

  1. Ausrichtung der kommunalen Planungen auf die vollständige Deckung der Eigenheimnachfrage auf ihrem Territorium. Dies hat einen erhöhten Flächenbedarf zur Konsequenz. Einkommensstarke Familien können in der Stadt gehalten werden.
  2. Verzicht auf die Ausweisung neuer Wohngebiete für den klassischen Einfamilienhausbau und Deckung der Nachfrage in Einfamilienhaus ähnlichen Wohnformen im Geschosswohnungsbau. Die befördert den urbanen Wohnungsbau und spart Flächen. Der Stadt-Umland-Raum wird deutlich gestärkt. Dies hat für die Stadt den Verlust einkommensstarker Familien zur Folge einschließlich deren Pendlerbeziehungen.
  3. Entwicklung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen klassischen Einfamilienhausbau und mehrgeschossigem Wohnungsbau, einschließlich anteiliger Schaffung Einfamilienhaus ähnlicher Wohnformen („Stadtfamilienhaus“). Damit wird der Wohnungsmarkt in Rostock weiter diversifiziert und ein Teil der Stadt-Umland-Abwanderung kann abgemildert werden. Die Stadt ist auch in der Lage einkommensstarke Haushalte zu binden.

Die vollständige Diskussion um die zukünftige siedlungsstrukturelle Entwicklung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock wird insb. im Verfahren zur Neuaufstellung des Flächennutzungsplans (Stichwort Zukunftsplan) geführt werden müssen.

Im Vorgriff empfiehlt die Verwaltung, auf Grund der aktuell anhaltenden hohen Wohnungsnachfrage im Segment des Einfamilienhausbaus, die Grenze der Eigenentwicklung in den Umlandgemeinden des Stadt-Umland-Raums bis zum Jahr 2025 anzuheben. Sowohl bereits rechtskräftige als auch sich im Verfahren befindliche Bebauungspläne der Kernstadt werden die aktuell angespannte Lage im Einfamilienhausbau nicht lösen können. Mit einer Neukontingentierung der Wohnbauregelung wird der Umland-Raum zwar weiter gestärkt, jedoch das regionale Wohnungsangebot um die Kernstadt gesichert und einer Abwanderung zahlungskräftiger Einwohner in noch weiter entfernte Standorte abgemildert. 


Es wird deshalb der Ansatz gewählt, die Obergrenze der Wohnbauentwicklung als Richtwert an die zurückliegende Entwicklung von 200 Wohnungen je Jahr zu koppeln und dieses zusätzliche Kontingent insbesondere an solche Gemeinden zu binden, welche eine gute infrastrukturelle Anbindung an die Hanse- und Universitätsstadt Rostock aufweisen (insb. ÖPNV). Denkbar ist auch eine Verlagerung der seitens einer Gemeinde nicht in Anspruch genommenen Entwicklungskontingente in eine andere Gemeinde. Hierfür bietet sich ein interkommunaler Vertrag an. 

Mit einem maximalen Neubauvolumen von 600 Wohnungen bis einschließlich des Jahres 2025 kann kurzfristig der Mangellage an Einfamilienhaus gerechtem Wohnungsbau in der Stadt entgegengewirkt und der Kern der Regiopolregion Rostock weiter gestärkt werden. Mit dem vorgeschlagenen Kontingent erhöht sich der Wohnungsbestand in den Umlandgemeinden des Stadt-Umland-Raumes um rund 3% auf dann 20.700 Wohnungen. 

Ungeachtet dessen muss auf städtischer Ebene die Diskussion um die zukünftige strategische Ausrichtung des Wohnungsmarktes weitergeführt und vorangetrieben werden. Mit der anstehenden Fortschreibung des Raumentwicklungsprogramms Region Rostock wird die Kernstadt ihre Rolle als Oberzentrum und damit als Siedlungsschwerpunkt verdeutlichen müssen. Für den Stadt-Umland-Raum Rostock ist hier ein raumverträgliches Maß der Wohnbauentwicklung in Abhängigkeit von der städtischen Entwicklung, ausschlaggebend. Pauschal kann vorweggenommen werden: Je mehr nachfragegerechter Wohnungsbau durch die Kernstadt realisiert werden kann, desto weniger Bedarfe lassen sich für das Umland ableiten.

 


[1] Aktualisierung der Haushalts- und Wohnungsnachfrageprognose der Hanse- und Universitätsstadt Rostock bis 2035, empirica ag, Berlin, 15. September 2021, Seite 5.

[2] Statistisches Jahrbuch 2021, Hanse- und Universitätsstadt Rostock, Hauptamt, Kommunale Statistikstelle, November 2021, Seite 181.

[3] Künftige Wohnungsleerstände in Deutschland, BBSR, Bonn 2020.

[4] Aktualisierung der Haushalts- und Wohnungsnachfrageprognose der Hanse- und Universitätsstadt Rostock bis 2035, Empirica, Berlin, 15. September 2021.

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Finanzielle Auswirkungen:

keine

 

 

 

 

 

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Dr. Chris von Wrycz Rekowski
Erster Stellvertreter des Oberbürgermeisters

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Anlagen

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Beschlüsse

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08.11.2022 - Bau- und Planungsausschuss - zur Kenntnis gegeben

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10.11.2022 - Ausschuss für Stadt- und Regionalentwicklung, Umwelt und Ordnung - zur Kenntnis gegeben

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23.11.2022 - Ausschuss für Wirtschaft und Tourismus - zur Kenntnis gegeben

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07.12.2022 - Bürgerschaft - zur Kenntnis gegeben