Anfrage der Fraktion - 2015/AF/1004

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Beratungsfolge

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Beschluss vom 03.06.15

 

Am 25.02.2015 legte eine Mehrheit der Bürgerschaft im Beschluss 2014/BV/0481-03 fest: „Nach Abschluss einer Vereinbarung zwischen der Hansestadt Rostock und dem Land ist sie der Bürgerschaft zur Kenntnis zu geben.“

 

Nach Rechtsauffassung der Fraktion Rostocker Bund/Graue/Aufbruch 09 ermöglichte diese Festlegung dem Oberbürgermeister zwar eine Unterzeichnung ohne vorherige Befassung in der Bürgerschaft, entband das Gremium also von der Notwendigkeit einer Beschlussfassung, selbige wurde damit zugleich nicht untersagt.

Die Stellungnahmen der Verwaltung 2015/AN/0867-01 (SN) vom 28.04.15 sowie 2015/AN/0894-01 (SN) vom 20.05.15 bestätigen diese Rechtsauffassung. Dort wurde lediglich auf evtl. Kosten bei einer Umsetzungsverzögerung und auf die Nichtnotwendigkeit eines Beschlusses verwiesen. Beide Hinweise stellten keine rechtlichen Bedenken gegen eine Beschlussfassung dar.

 

  1. Wurde mit der Formulierung >Nach Abschluss einer Zielvereinbarung zwischen der Hansestadt Rostock und dem Land ist sie der Bürgerschaft zur Kenntnis zu geben.< eine spätere Beschlussfassung durch die Bürgschaft untersagt?
  2. Falls JA: Auf welche Rechtsgrundlage stützt sich diese Auffassung?

 

Die Bürgerschaft fasste unter anderem die folgenden Beschlüsse mit den aufgezeigten Beschlussfolgen (ausgewählte Beispiele):

 

(wörtlicher) Beschlussvorschlag

Votum

Beschlussfolge

Die Bürgerschaft beschließt die als Anlage beigefügte Zielvereinbarung für das Volkstheater Rostock zur Schaffung einer tragfähigen Theater- und Orchester-struktur mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern.

2014/BV/0181 Bürgerschaft 01.10.14

 

 

Zustimmung

 

Annahme der Zielvereinbarung

Die Bürgerschaft beschließt den Gesellschaftsvertrag der Volkstheater Rostock GmbH (Anlage 1).

2015/BV/0719 Bürgerschaft 03.06.15

 

Zustimmung

 

Annahme des Gesellschaftsvertrages

Die Bürgerschaft beschließt den Gesellschaftsvertrag der Rostocker Fracht- und Fischereihafen GmbH in seiner neuen Fassung (Anlage 3).

2015/BV/0830 Bürgerschaft 03.06.15

 

Zustimmung

 

Annahme des Gesellschaftsvertrages

Die Bürgerschaft beschließt die am 06.05.2015 durch den Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock und das Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, geschlossene Fortschreibung der Zielvereinbarung über die zukünftige Struktur des Volkstheaters Rostock entsprechend der Anlage.

2015/AN/0894 Bürgerschaft 03.06.15

 

 

 

 

Ablehnung

 

 

 

 

Ablehnung der Zielvereinbarung

 

Ein Beschlussvorschlag nach dem Muster „Die Bürgerschaft beschließt Vereinbarung/Vertrag X laut Anlage“ ist seit Bestehen der Bürgerschaft ebenso üblich wie die sich aus dem Votum ergebende Beschlussfolge klar ist. Rechtlich unerheblich ist, was jemand bei seiner Stimmabgabe gemeint oder erklärt hat.

Hinzu kommt: Bei 2015/AN/0894 wurde seitens der Antragstellerin sowohl im Vorfeld medial als auch in der Sitzung selbst klargestellt, dass es sich um einen Beschluss über die Zielvereinbarung handelt. Etwas anderes war auch der Stellungnahme der Verwaltung nicht zu entnehmen, da sie sich inhaltlich umfassend mit der Zielvereinbarung auseinandersetzte.

Um einen Überraschungseffekt in der Sitzung vom 03.06.15 handelte es sich ebenfalls nicht: Zum einen datierte der Antrag bereits vom 07.05.15. Zum anderen gab es bereits für die Sitzung vom 06.05.15 einen interfraktionellen Antrag mit dem Beschlusstext >Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die zwischen der Hansestadt Rostock und dem Land Mecklenburg-Vorpommern am 06.05.2015 unterzeichnete Zielvereinbarung zur Neustrukturierung der Volkstheater Rostock GmbH der Bürgerschaft zum Beschluss vorzulegen.< Dieser Antrag wurde vertragt, weil die Bürgerschaft erst einmal die Zielvereinbarung lesen wollte.

Um eine weitere zeitliche Verzögerung zu vermeiden hat die Fraktion Rostocker Bund/Graue/Aufbruch 09 die Fortschreibung dann selbst zum Beschluss vorgelegt. Der Antrag vom 03.06.15 hieß folgerichtig >Beschluss über die Fortschreibung der Zielvereinbarung über die zukünftige Struktur des Volkstheaters Rostock<.

Gängige Praxis ebenso wie Vorgeschichte, Beschlussgegenstand, Beschlussvorschlag und Stellungnahme der Verwaltung zum Antrag richteten sich ausschließlich und eindeutig auf eine Abstimmung über das Dokument „Fortschreibung der Zielvereinbarung vom 06.05.15“. Anders lautende, kurz vor Beschlussfassung auftauchende Interpretationen Einzelner waren politisch motiviert und hatten keine sachliche Grundlage, weder im Antrag noch in der Stellungnahme der Verwaltung.

 

Mit Beschluss vom 03.06.2015 wurde der Beschlussvorschlag des Antrags 2015/AN/0894 abgelehnt und somit die Fortschreibung der Zielvereinbarung vom 06.05.15.

 

  1. Sollte die Verwaltung eine andere Rechtsauffassung hierzu haben: Auf welcher Rechtsgrundlage kommt die Verwaltung zu einem anderen Schluss?

 

Zeichnungsbefugnis des Oberbürgermeisters

 

Durch Beschluss 2014/BV/0481-03 vom 25.02.15 erhielt der Oberbürgermeister eine Zeichnungsbefugnis für die Fortschreibung der Zielvereinbarung.

Diese Befugnis war zugleich begrenzt: „Die für die Vereinbarung erteilte Zeichnungsbefugnis ist an die Umsetzung der Vorgaben der Bürgerschaft in dem Dokument gebunden.“ (Stellungnahme 2015/AN/0867-01 (SN) vom 28.04.15)

 

  1. Inwiefern wäre eine Unterzeichnung bei Nichteinhaltung der Vorgaben des Bürgerschaftsbeschlusses 2014/BV/0481-03 möglich? Auf welcher Rechtsgrundlage?

 

Eine wesentliche Vorgabe des Beschlusses 2014/BV/0481-03 war die folgende:

Das Land und die Hansestadt Rostock werden das Rostocker Volkstheater auf dieser Grundlage je zur Hälfte finanzieren.“

Schaut man sich das (unterzeichnete) Verhandlungsergebnis vom 06.05.15 an, wird diese Festlegung nicht eingehalten: Sowohl bei der Grundfinanzierung als auch den temporären Umstrukturierungshilfen erfolgt zwar für das Land eine exakte Festlegung der Zuschüsse, in Bezug auf die Hansestadt Rostock heißt es jedoch jeweils, dass sie die Mittel „in mindestens gleicher Höhe“ zur Verfügung zu stellen hat. Gleiches gilt für die Kosten des Theaterneubaus. Das bedeutet

a)   die Hansestadt Rostock zahlt (wie bisher) mehr als das Land oder

b)  die Hansestadt Rostock zahlt (künftig) die gleiche Summe wie das Land und reduziert damit ihren bisherigen Zuschuss.

 

Bei Variante a) wäre die Vorgabe des Beschlusses 2014/BV/0481-03 nicht eingehalten, was nicht von der Zeichnungsbefugnis gedeckt ist.

Bei Variante b) würde die Hansestadt die Existenz der VTR GmbH aufs Spiel setzen. Eine solche Zuschussreduzierung wäre durch keinen Bürgerschaftsbeschluss gedeckt und würde zugleich gegen die bisherige Vorgabe verstoßen, die VTR GmbH habe bis 2020 mit dem bisherigen (ungekürzten) Zuschuss (16,6 Mio. €) auszukommen.

 

  1. Auf welcher (Rechts-)Grundlage erfolgte die Unterzeichnung der Fortschreibung der Zielvereinbarung trotz Nichteinhaltung der Bürgerschaftsvorgabe vom 25.02.15 bzw. fehlender Bürgerschafts-beschlüsse zur Mittelkürzung für den laufenden Betrieb der VTR GmbH?

 

Laut Fortschreibung der Zielvereinbarung vom 06.05.15 rechnet das Land M-V Fördermittel für einen Theaterneubau auf Städtebaufördermittel für die Hansestadt Rostock an, sodass diese für andere Maßnahmen wegfallen.

 

  1. Durch welchen Bürgerschaftsbeschluss ist die Zustimmung der Hansestadt Rostock zu dieser weitreichenden Festlegung zu Lasten der Hansestadt Rostock gedeckt?

 

Weitere Abweichungen der Fortschreibung der Zielvereinbarung vom 06.05.15 zum Beschluss der Bürgerschaft 2014/BV/0481-03 vom 25.02.15 bzw. im damaligen Beschluss gar nicht vorhandene Punkte sind:

  • Möglichkeit der Abweichung der jeweiligen Jahreszuschüsse des Landes (bei Garantie des Gesamtzuschusses) und damit Notwendigkeit der zeitweisen Erhöhung des städtischen Zuschusses für den laufenden Betrieb
  • Bindung der Kreditgenehmigung für den Theaterneubau an eine Begrenzung der Gesamtzuschusshöhe der Hansestadt für die VTR GmbH (9,1 Mio. €), in die jedoch Baukosten und Umstrukturierungskosten einzurechnen sind
  • Bindung der Kreditgenehmigung für den Theaterneubau an den Altschuldenabbau der Hansestadt Rostock (ohne Festlegung einer Höhe).

 

  1. Inwiefern ist die Zustimmung der Hansestadt Rostock zu diesen veränderten/neuen Punkten durch einen konkreten Beschluss der Bürgerschaft gedeckt? Durch welche(n)?

 

Die Hansestadt soll sich in gleicher Höher wie das Land an den sog. Umstrukturierungskosten beteiligen, was 3,24 Mio. € ausmacht.

 

  1. Durch welchen Beschluss der Bürgerschaft sind die geplanten Mehrkosten oder aber Kürzungen für den laufenden Betrieb der VTR GmbH gedeckt?

 

Die Gesamthöhe der Umstrukturierungskosten soll ca. 6,5 Mio. € betragen. Hierzu zählen Mittel für Abfindungen, die Weiterzahlung von Vergütungen bis zum Auslaufen von Verträgen oder bis zum jeweiligen Renteneintritt. Am Ende der Umstrukturierung steht eine äquivalente Stellenreduzierung.

 

  1. Durch welchen Bürgerschaftsbeschluss ist ein Stellenabbau bei der VTR GmbH in dieser Höhe gedeckt?

 

In der Zielvereinbarung vom 01.10.14 heißt es: „Die Landesregierung ist unter der Maßgabe, dass über das Jahr 2020 hinausgehend tragfähige Strukturveränderungen erreicht werden, bereit, eine Beteiligung an Umstrukturierungskosten und Investitionen vorzunehmen. Die Dynamisierung der Landesmittel ab 2020 wird angestrebt.“

Jeder verständige Leser nahm an, dass die bisherigen Landeszuschüsse (7,7 Mio. €) ab 2020 dynamisiert werden. In der Fortschreibung der Zielvereinbarung hat sich die Hansestadt Rostock jedoch bereit erklärt, eine Dynamisierung erst ab 2021 sowie ab einem wesentlich geringeren Ausgangsniveau zu akzeptieren (siehe auch unten stehenden Komplex „Verhandlungsstrategie der HRO“). Damit stehen der Hansestadt Rostock für ihre VTR GmbH erheblich geringere Mittel zur Verfügung.

 

  1. Durch welchen Bürgerschaftsbeschluss ist die seitens der Hansestadt Rostock akzeptierte Zuschussreduzierung durch das Land M-V aufgrund eines späteren Beginns der Dynamisierung und eines geringeren Ausgangswertes gedeckt?

 

  1. Aus welchem Grunde hat der Oberbürgermeister trotz der aufgezeigten Abweichungen bzw. Veränderungen von den am 25.02.15 beschlossenen Rahmenbedingungen die Fortschreibung der Zielvereinbarung vom 06.05.15 nicht von sich aus der Bürgerschaft zum Beschluss vorgelegt?

 

Rechtliche Bewertung des Beschlusses vom 03.06.15

 

Mit der Unterzeichnung der Fortschreibung der Zielvereinbarung vom 06.05.15 durch die Hansestadt Rostock ist die Vereinbarung nach außen rechtswirksam geworden. Aufgrund der Ablehnung der Vorlage 2015/AN/0894 am 03.06.15 gibt es keine Zustimmung der Bürgerschaft zum Verhandlungsergebnis. Gegen diesen Beschluss ist der Oberbürgermeister nicht in Widerspruch gegangen (bis 17.06. war dies möglich).

Aus Sicht der Fraktion Rostocker Bund/Graue/Aufbruch 09 könnte der Oberbürgermeister zwar eine Umsetzung der nach außen wirksamen, aber im Innenverhältnis nicht genehmigten Vereinbarungsinhalte gegenüber der Geschäftsführung der VTR GmbH  anweisen, wäre jedoch für mögliche Folgen ggf. haftbar.

 

  1. Wie ist die Sicht der Stadtverwaltung auf die Rechtsfolgen der Nichtzustimmung der Bürgerschaft zur Fortschreibung der Zielvereinbarung?

 

Verhandlungsstrategie der Hansestadt Rostock

 

Der Zuschuss des Landes M-V für die Basisfinanzierung der VTR GmbH (laufender Betrieb) nimmt laut Zielvereinbarung vom 06.05.15 stetig ab, wie der Tabelle auf S. 2 zu entnehmen ist:

 

2015

2016

2017

2018

2019

2020

7.746.713 €

7.746.713 €

7.060.606 €

6.773.464 €

6.924.612 €

7.032.494 €

 

Hinzu kommen zwar sog. Umstrukturierungshilfen, also Gelder, die nicht dem Betrieb des Hauses, sondern seinem (strukturellen) Um- bzw. Abbau ohne betriebsbedingte Kündigungen dienen (Tabelle S. 2):

 

2015

2016

2017

2018

2019

2020

-

-

896.343 €

837.071 €

800.422 €

712.543 €

 

so dass sich ein etwa gleich bleibender Zuschuss des Landes von rd. 7,7 Mio € ergibt:

 

2015

2016

2017

2018

2019

2020

7.746.713 €

7.746.713 €

7.956.949 €

7.610.535

7.725.034 €

7.745.037 €

 

Dies bedeutet: Die vermeintliche Verstetigung des Landeszuschusses bis 2020 ergibt sich ausschließlich aus dem vorherigen Zuschussabzug für den laufenden Theaterbetrieb. Die abgezogenen Mittel werden dann als temporärer Sonderzuschuss gewährt, während die Hansestadt ihre Mittel de facto zusätzlich aufzubringen hat.

 

Diese Methode des Landes hat gravierende Folgen für die Zahlungen ab 2021: Dynamisiert wird dann nicht der Landeszuschuss von heute, sondern der um 714 TEUR verminderte Basiszuschuss von 7.032.494 € (siehe S. 2 Zielvereinbarung).

Bei der seitens des Landes avisierten dynamischen Steigerung um jährlich 1,5 % dauert es somit 7 Jahre bis der Zuschuss des Landes für den Theaterbetrieb wieder das Niveau von 2015 erreicht, also bis 2022.

Schaut man sich dann noch den Rückgang der Landesmittel für den Betrieb des VTR seit 2004 an (Angaben in Mio. € / Quelle: Stadtverwaltung IuK):

 

 

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

8,447

8,447

8,225

8,292

8,292

8,268

8,045

8,045

8,016

7,582

7,846

 

wird klar: Der Gesamtrückgang des Landeszuschusses für den Rostocker Theaterbetrieb beträgt von 2004 (8,447 Mio. €) bis 2020 (7,032 Mio. €) insgesamt 1,41 Mio. €. Die Wiedererlangung des Niveaus von 2004 dauert bei einer 1,5%-igen jährlichen Dynamisierung 12 Jahre und damit bis 2032!

 

  1. Aus welchem Grunde hat die Hansestadt Rostock diesem Sparmodell für den Landeshaushalt zu Lasten der Hansestadt Rostock zugestimmt?

 

Das Konstrukt der Zielvereinbarung bewegt sich um den Kern „Mit-Finanzierung des Landes für einen Theaterneubau gegen Reduzierung bestehender Theaterstrukturen“.

 

  1. Aus welchem Grunde hat sich die Hansestadt Rostock auf dieses Konstrukt eingelassen und durch welchen Bürgerschaftsbeschluss war dies gedeckt?
  2. Aus welchem Grunde hat die Hansestadt Rostock nicht

a)      entweder auf die Sanierungshilfe des Landes bei anderen Theaterbauten ohne derartige Bedingungen sowie in höherer als der für Rostock vorgesehenen Größenordnung verwiesen oder

b)      auf eine Hilfe des Landes unter diesen Voraussetzungen verzichtet um eigene Wege zu suchen?

  1. Wer ist seit wann durch den Oberbürgermeister beauftragt, alle Fördermittelmöglichkeiten für einen Theaterneubau zu eruieren?

 

 

 

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08.07.2015 - Bürgerschaft - zur Kenntnis gegeben