Anfrage eines Mitglieds der Bürgerschaft - 0181/05-GA
Grunddaten
- Betreff:
-
Erfüllung der Voraussetzungen für betriebsbedingte Kündigungen durch die Stadtverwaltung
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlage freigegeben:
- 07.09.2005
- Vorlageart:
- Anfrage eines Mitglieds der Bürgerschaft
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Bürgerschaft
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07.09.2005
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Sowohl
in der Runde der Fraktionsvorsitzenden am 05. Juli als auch bei einem Treffen
mit Vertretern der Gewerkschaft ver.di am 11. Juli lehnte der Oberbürgermeister
die Einführung eines Haustarifvertrages ab, der einerseits von der Fraktion
Rostocker Bund/AfR und andererseits von ver.di vorgeschlagen wurde. Im Gegenzug setzte der Oberbürgermeister auf
betriebsbedingte Kündigungen, da nur sie Strukturveränderungen ermöglichen
würden. Am 13. Juli hingegen schloss der Oberbürgermeister in einer
Pressekonferenz den Abschluss eines Haustarifvertrages nicht mehr aus.
In
diesem Zusammenhang bitten wir um Beantwortung der nachfolgenden Fragen:
Der
bisher geplante Personalabbau in Höhe von 700 Stellen bis 2010 sollte sozial
verträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen. Da nicht jede der
altersmäßig oder durch andere Umstände frei werdenden Stelle ersatzlos
gestrichen werden kann, war hier bereits ein umfassender
Umstrukturierungprozess vorgesehen.
1.
Aus welchem
Grunde wäre dieser Umstrukturierungsprozess nicht möglich, wenn zusätzlich zum
bereits beschlossenen Vorgehen ein Haustarifvertrag abgeschlossen werden würde?
2.
Aus welchem
Grunde könnten keine über die 700 Stellen hinaus gehenden weiteren Stellen auf
sozial verträgliche Weise abgebaut werden?
Laut
Arbeitsrechtsprechung ist eine Kündigung im öffentlichen Dienst nicht allein
durch eine Stellenplanreduzierung gerechtfertigt, sondern nur mit einem
konkreten Stellenbedarfskonzept.
3.
Gibt
es ein durch Aufgabenkritik belastbar begründetes Stellenbedarfskonzept? Wenn
ja: Für welches Jahr liegt dieses Konzept vor?
Für
eine betriebsbedingte Kündigung ist zugleich eine diese Kündigung
rechtfertigende Organisationsentscheidung erforderlich. Diese Entscheidung kann
durch Stellenstreichungen in einem Haushaltsplan, durch kw-Vermerke oder durch
einen Bürgerschaftsbeschluss getroffen werden, in dem die Verwaltung beauftragt
wird, in einem bestimmten Bereich den Personalbestand zu reduzieren.
Erschöpft
sich jedoch die Entscheidung der Stadtverwaltung im wesentlichen darin,
Personal einzusparen, muss sie ihre Entscheidung hinsichtlich ihrer
organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit (Dauer) verdeutlichen,
damit Arbeitsgerichte prüfen können, ob die Kündigung nicht unsachlich,
unvernünftig oder willkürlich, also missbräuchlich ausgesprochen worden
ist.
4.
Mit welchen
Mitteln beabsichtigt die Verwaltung, den Nachweis von Stellenstreichungen im
HH-Plan als sachlich begründet, durchführbar und nachhaltig zu erbringen?
5.
Liegt ein
derartiger Nachweis für die bereits beschlossenen Stellenstreichungen in Form
der kw-Vermerke bis 2010 vor bzw. gibt es eine Untersetzung der bisherigen
kw-Vermerke mit einer Aufgabenkritik? Wann wird den Fraktionen dieser Nachweis,
sofern vorhanden, vorgelegt?
Die
Entscheidung zur Stellenkürzung soll ebenfalls eine rechtswidrige Überforderung
oder Benachteiligung des in der Stadtverwaltung verbleibenden Personals
ausschließen.
6.
Wie gedenkt die
Stadtverwaltung im Falle von betriebsbedingten Kündigungen zu garantieren, dass
weder eine Überforderung des verbleibenden Personals existiert noch ein
fortbestehender Beschäftigungsbedarf besteht?
Betriebsbedingte
Kündigungen basieren im Wesentlichen auf einem Rückgang an Beschäftigungsbedarf
und Beschäftigungsmöglichkeit. Die Finanzlage einer Kommune ist dabei nicht der
ausschlaggebende Aspekt, sondern die zu erfüllenden Aufgaben der Kommune.
7.
Inwiefern ist der
Rückgang des Beschäftigungsbedarfs nachweisbar?
8.
Ab wann besteht
ein derartiger Rückgang des Beschäftigungsbedarfs?
9.
Wie viele
Überstunden haben die Mitarbeiter der Stadtverwaltung für 2004 und das erste
Halbjahr von 2005 insgesamt angemeldet?
10. Falls Überstunden nicht anerkannt werden: Wie viele
Stunden wurden im Durchschnitt im Rahmen der Gleitzeit in den Folgemonat
übernommen?
11. Welchen Schlüssel legt die Stadtverwaltung zur
Berechnung des Personalbedarfs zugrunde?
Im
Falle der zu erwartenden Kündigungsschutzklagen wird gerichtlich nachgeprüft
wird, ob infolge der organisatorischen Entscheidung das Bedürfnis für die
Weiterbeschäftigung tatsächlich entfallen ist. Eine Personalbemessung (z.B.
benchmarking) kann dabei betriebsbedingte Kündigungen gerichtsfest untermauern,
wenn sich dabei Personalüberhänge ergeben.
12. Wie sieht der Schlüssel Angestellte/r der
Stadtverwaltung pro Einwohner im Vergleich zu anderen Städten der
Bundesrepublik mit ca. 200.000 Einwohnern aus?
13. Gibt es derzeit einen erfassten Personalüberhang, z.B.
in einem Pool wie in der Landesverwaltung?
Wenn
eine Stellenstreichung tatsächlich eine betriebsbedingte Kündigung
rechtfertigt, muss diese Kündigung zusätzlich sozial gerechtfertigt sein. In
die Sozialauswahl sind dabei alle Angestellten und Arbeiter der Stadtverwaltung
mit der selben Vergütungs- bzw. Lohngruppe und gleichen
Qualifikationsvoraussetzungen einzubeziehen, die der Eingruppierung bzw.
Einreihung der kw-Stelle entsprechen. Dabei sind sowohl Vollzeit- als auch
Teilzeitkräfte einzubeziehen.
Aus
diesem Kreis sind diejenigen heraus zu nehmen, die aus berechtigten
betrieblichen Bedürfnissen für die Stadtverwaltung erforderlich sind. Hier hat
eine entsprechende Begründung zu erfolgen.
14. Gibt es derzeit eine Übersicht über alle Mitarbeiter
einer Vergütungs- bzw. Lohngruppe mit gleichen Qualifikationsvoraussetzungen?
Wann und wo können die Fraktionen der Bürgerschaft diese einsehen?
15. Gibt es derzeit eine begründete Übersicht über berechtigte
betriebliche Bedürfnisse, die den Ausschluss von Angestellten bzw. Arbeitern
der Stadtverwaltung rechtfertigen? Fall ja: Wann wird diese der Bürgerschaft
zur Verfügung gestellt? Falls nein: Wann wird eine derartige Übersicht
vorhanden sein?
16. Wer entscheidet über das betriebliche Bedürfnis eines
konkreten Mitarbeiters?
Aus
dem jeweils betroffenen Mitarbeiterkreis sind diejenigen heraus zu nehmen, die
im Ergebnis der Sozialauswahl des geringsten Schutzes bedürfen. Der
Sozialauswahl sind dabei die Grunddaten Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und
bestehende Unterhaltspflichten zu Grunde zu legen. Darüber hinaus können
weitere Auswahlkriterien berücksichtigt werden, wie z.B. Familienstand,
Einkünfte anderer Familienangehöriger, Vorhandensein von Vermögen,
Verschuldung, Erkrankung und Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger,
arbeitsmarktpolitische Aspekte. Im Einzelfall hat stets eine Gesamtabwägung zu
erfolgen.
17. Verfügt die Stadtverwaltung über eine Datenbank mit
den o. g. Angaben, die regelmäßig erneuert wird?
Laut
Rechtsprechung ist ein sog. Punktemodell zu o. g. Kriterien nicht geeignet,
einen sicheren Bewertungsmaßstab abzugeben, sofern die Kriterien schematisch
erfolgen. Punktemodell und Kriterien können lediglich für eine Vorauswahl heran
gezogen werden.
18. Nach welchem Modell beabsichtigt die Stadtverwaltung
bei den geplanten betriebsbedingten Kündigungen vorzugehen?
Einem
im Ergebnis der Sozialauswahl für die betriebsbedingte Kündigung vorgesehenen
Mitarbeiter kann nur gekündigt werden, wenn dieser nicht an einem anderen oder
aber an einem niedriger bewerteten Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden
kann.
19. Wie sichert die Stadtverwaltung die Prüfung der
Weiterbeschäftigung an einem anderen oder auch an einem niedriger bewerteten
Arbeitsplatz ab?
20. Wer ist an einer derartigen Prüfung beteiligt, wer
wird mit einbezogen?
Zum
Verhältnis betriebsbedingte Kündigungen – Alternativen:
21. Welcher Anzahl von Mitarbeitern soll nach derzeitiger
Vorstellung der Stadtverwaltung bzw. des OB betriebsbedingt gekündigt werden?
22. Ist geprüft worden, ob die Einsparsumme, die sich aus
der Kündigung dieser Mitarbeiterzahl ergibt, durch einen Haustarifvertrag für
die gesamte Verwaltung und übertarifliche Abfindungen kompensierbar wäre? Wenn ja:
Mit welchem Ergebnis? Wenn nein: Wann erfolgt ein derartiger Vergleich?
23. Wann erfolgt eine Entscheidung des Oberbürgermeisters,
ob er einen Haustarif anstrebt oder aber den Weg betriebsbedingte Kündigungen
gehen will?
Dr. Sybille Bachmann
Fraktionsvorsitzende