Stellungnahme - 2022/AM/3253-01 (SN)

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Sachverhalt:

 

Die aktuelle Bevölkerungsprognose für die Hanse- und Universitätsstadt Rostock bis 2035 weist erhebliche Unterschiede zur Vorjahresprognose auf. Für 2035 werden nun rund 8.000 bis 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner weniger erwartet als noch im April 2021 prognostiziert. Die erst im März 2022 vorgelegte Aktualisierung der Haushalt- und Wohnungsnachfrageprognose bis 2035 geht dagegen noch von den deutlich höheren Bevölkerungsprognosen aus. Gleiches gilt für andere Planungsszenarien.

 

Alte Prognose 04/2021 bis 2035:

  • pessimistisch: 210.754, mittlere: 215.802, optimistisch: 221.849 Einwohner*innen;

 

Neue Prognose 04/2022 bis 2035:

  • pessimistisch: 202.864, mittlere: 207.293, optimistisch: 211.464 Einwohner*innen

 

1. Ist zeitnah eine erneute Aktualisierung der Haushalts- und Wohnungsnachfrage-prognose vorgesehen? Wenn ja: bis wann?

3. Für wann ist jeweils eine Anpassung der Planungen an die aktuelle Bevölkerungs-prognose vorgesehen?

4. Welche Auswirkungen auf die Planungen stehen jetzt schon fest?

5. Leitet die Stadt aus der neuen Prognose die Notwendigkeit und Möglichkeit ab, günstigere Bedingungen für ein stärkeres Bevölkerungswachstum zu schaffen? Wenn ja: mit welchen Instrumenten?

Die Fachämter der Hanse- und Universitätsstadt Rostock prüfen die Notwendigkeit zur Aktualisierung wesentlicher Fachkonzepte und Planungsgrundlagen wie der Haushalts- und Wohnungsnachfrageprognose Rostock 2035 (dies betrifft insb. auch die Analyse und Auseinandersetzung mit den abweichenden demografischen Rahmenbedingungen der Bevölkerungsprognose aus dem Jahr 2020).

Mit dem begonnenen Prozess zur Neuaufstellung des Flächennutzungsplans (Stichwort: Zukunftsplan) findet eine durch das Baugesetzbuch legitimierte strategische Darstellung der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock statt.

Dies geschieht unter breiter Beteiligung der Rostocker Bürgerinnen, Vereinen und Verbänden, sowie von Politik, Expertinnen der Wohnungswirtschaft und weiteren Institutionen. Ein wesentlicher Bestandteil ist die bedarfsgerechte und nachfrageorientierte zukünftige Wohnungsbauentwicklung. Neben der Darstellung neuer Wohnbauflächen, die sich aus der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung ableiten, gehen dabei auch andere Parameter in den Planungsprozess ein. Beispielhaft können hier genannt werden:

  • Ersatzbedarf, welcher vor allem Folge eines baulichen und technischen Verschleißes ist oder weil die Fläche einer anderen präferierten Nutzung entgegensteht.
  • Nachholbedarf, welcher in regionalen Wohnungsmärkten besteht, bei denen der Wohnungsbestand nicht für alle wohnungsnachfragenden Haushalte ausreicht.
  • Fluktuationsreserve, um genügend Wohnraum einerseits zur Gewährleistung der Mobilität (Umzüge und Zuzüge) und anderseits für notwendige Sanierungen und Modernisierungen vorzuhalten.
  • Vorsorgeräume zur langfristigen Sicherung städtebaulich geeigneter Standorte für die Wohnbauentwicklung

Ziel der Verwaltung ist es, bis zum Ende des Jahres 2022 einen ersten Entwurf zum Zielszenario zu erarbeiten. Es ist beabsichtigt, dieses durch die Bürgerschaft der Hanse- und Universitätsstadt Rostock bestätigen zu lassen.

 

Zu 2.: Welche Planungen der Stadt (z.B. Wohnungsbau, Schulentwicklungsplanung etc.) beruhen unmittelbar auf Bevölkerungsprognosen und welche konkreten Prognosen liegen den aktuellen Planungen jeweils zugrunde?

Gültige Planungsgrundlage ist die mittlere Variante. Die Ergebnisse der Bevölkerungsprognose wurden am 12.05.2022 an folgende Fachämter übermittelt:

68.20 Verkehrsentwicklungsplanung

 -jährliche Bevölkerungszahl nach Stadtbereichen für Altersgruppen

40.20 Schulentwicklungsplanung

-jährliche Bevölkerungszahl bis 2028 nach Stadtbereichen für bestimmte Einzelalter

50.11 Controlling d. Amtes für Jugend, Soziales und Asyl + 50.01 Jugendhilfe- und Sozialplanung

-jährliche Bevölkerungszahl bis 2028 nach Stadtbereichen für Altersgruppen bzw. bestimmte Einzelalter

Auf Anfrage erfolgt eine Weitergabe der Ergebnisse an weitere Fachämter, bislang gab es keine weiteren Anfragen.

 

 

 

 

 

6. Die Prognosen von 2016, 2020 und 2022 zeigen erhebliche Unterschiede bei der natürlichen Bevölkerungsbewegung. Während die Prognose von 2016 bis 2025 eine Zunahme der Bevölkerungsverluste auf ca. -300 Einwohnern jährlich (Einw./a) und von da an einer Abnahme der Verluste bis 2035 auf-SO Einw./a prognostiziert, sind es in der Prognose von 2020 eine Zunahme der Verluste auf ca. -800 Einw./a bis 2025 und ab da einer Abnahme der Verluste bis 2035 auf ca. -600 Einw./a sowie in der zuletzt veröffentlichten Prognose eine Zunahme der Bevölkerungsverluste bis 2025 auf ca. -1100 Einw./a und danach eine weitere Zunahme der Verluste bis 2035 auf ca.-1300 Einw./a. Diese erheblichen Unterschiede der vorliegenden drei Prognosen lassen sich nicht allein durch die in der zwischenzeitlich nicht im prognostizierten Umfang erfolgte Zuwanderung oder eine signifikant veränderte Bevölkerungsstruktur zu erklären. Worin liegen die tatsächlichen oder methodischen Ursachen für diese erheblichen Abweichungen innerhalb weniger Jahre?

 

Entwicklung des natürlichen und räumlichen Saldos in Rostock bis 2021

Die folgenden beiden Grafiken verdeutlichen die tatsächliche natürliche sowie räumliche Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2021 sowie die angenommene Entwicklung bis zum Jahr 2035 auf Basis der letzten drei Prognoserechnungen. Seit 1991 sterben in Rostock mehr Menschen, als hier geboren werden. Dieser Gestorbenenüberschuss ist innerhalb der letzten Jahre deutlich angestiegen und lag im Jahr 2021 bei 876 Personen (2.748 Gestorbenen standen nur 1.872 Geburten gegenüber). Auch der räumliche Saldo ist in der Hanse- und Universitätsstadt seit Mitte der 2010er Jahre rückläufig. Zusätzlich verzeichnete Rostock - wie viele andere Großstädte auch - in den Pandemiejahren 2020 und 2021 außergewöhnlich hohe Wanderungsrückgänge: Die Zahl der Wegzüge verringerte sich, noch stärker brachen die Zuzüge ein. Der Wanderungssaldo sank 2020 und 2021 mit +489 bzw. +394 auf ein sichtbar niedrigeres Niveau als in den Vorjahren (z.B. +986 im Jahr 2019). Im Ergebnis gibt es immer weniger Zuwandernde, die den Gestorbenenüberschuss ausgleichen können. Sollte sich an diesem Verhältnis nichts ändern, dann wird sich die Bevölkerungszahl Rostocks in den kommenden Jahren voraussichtlich verringern.

Hanse- und Universitätsstadt Rostock, Hauptamt, Kommunale Statistikstelle, Quelle: Melderegister der
Hanse- und Universitätsstadt Rostock, ab 2022 eigene Berechnungen

Prognose-Annahmen zur diesjährigen Prognose

Berechnungsgrundlage für die diesjährige Prognose bilden die Endjahresbestände des Rostocker Melderegisters vom 31.12.2011 bis zum 31.12.2021 sowie die Bevölkerungsbewegungen (Geburten, Sterbefälle, Umzüge) dieser Periode. Die Datengrundlage hat sich also im Vergleich zur vorherigen Prognoserechnung um 2 Jahre verlängert. Die Annahmen bezüglich des zukünftigen Geburten- und Sterbeverhaltens der Bevölkerung sowie des Wanderungsgeschehens wurden nach gleicher Vorgehensweise wie bei der vorherigen Prognoseberechnung (Basis 2019) an die Entwicklung der jüngsten Jahre angepasst. Das Prozedere zur Generierung der Annahmen wurde bei der Prognoseberechnung 2019 in Absprache mit einem Experten*innenkreis und in Anlehnung an gängige Vorgehensweisen bei Bundes- und Landesprognosen vereinbart.

Die vermeintlichen Abweichungen zwischen der Bevölkerungsprognose auf Basis des Jahres 2019 und 2021 haben somit keine methodischen Ursachen, sondern sind der tatsächlichen Veränderung der demografischen Entwicklung geschuldet. Die folgende Tabelle zeigt die Annahmen beider Prognoserechnungen im Vergleich.

Basiszeitraum

2011-2019

2011-2021

Annahmen - Natürliche Bevölkerungsbewegung

Geburten

 

 

Durchschnittliches Gebäralter 2035 (Jahre)

Erhöhung auf 31,6

Erhöhung auf 32,3

Zusammengefasste Geburtenziffer 2035
  (Kinder je Frau)

Erhöhung auf 1,45

Erhöhung auf 1,41

Sterblichkeit

 

 

Lebenserwartung bei Geburt 2035 (Jahre)

Männer: Erhöhung auf  80,1
Frauen: Erhöhung auf  85,2

Männer: Erhöhung auf  79,7
Frauen: Erhöhung auf  84,9


Annahmen - Räumliche Bevölkerungsbewegung

Mittlere Variante

Erhöhung des jährlichen Wanderungssaldos von 2019 (+986 Personen) bis 2025 auf Durchschnitt der Jahre 2010-2019* (1.184 Personen), danach bis 2035 konstant

Erhöhung des jährlichen Wanderungssaldos von 2021 (+394 Personen) bis 2028 auf Durchschnitt der Jahre 2012-2021* (934 Personen), danach bis 2035 konstant

Optimistische Variante

Erhöhung des jährlichen Wanderungssaldos von 2019 (+986 Personen) bis 2025 auf das Durchschnittsniveau der höchsten 3 Jahre zwischen 2010-2019* (1.594 Personen), danach bis 2035 konstant

Erhöhung des jährlichen Wanderungssaldos von 2021 (+394 Personen) bis 2028 auf das Durchschnittsniveau der höchsten 3 Jahre zwischen 2012-2021* (1.290 Personen), danach bis 2035 konstant

Pessimistische Variante

Verringerung des jährlichen Wanderungssaldos von 2019 (+986 Personen)

auf 842 Personen bis 2025 (Durchschnitt der niedrigsten 3 Jahre zwischen 2010-2019*), danach bis 2035 konstant

Erhöhung des jährlichen Wanderungssaldos von 2021 (+394 Personen)

auf 556 Personen bis 2028 (Durchschnitt der niedrigsten 3 Jahre zwischen 2012-2021*), danach bis 2035 konstant

* korrigiert um im Vergleich zu den Vorjahren zusätzlich zugewiesene Geflüchtete 2015 und 2016

Die Annahmen zu Geburten und Sterblichkeit wurden aufgrund der demografischen Entwicklung leicht angepasst. So wurde das angenommene durchschnittliche Gebäralter leicht erhöht und die voraussichtliche Lebenserwartung bei Geburt sowie die zusammengefasste Geburtenziffer etwas verringert. Diese Anpassungen sind von geringer Auswirkung auf die Prognose-Ergebnisse. Große Abweichungen entstehen durch Variationen in den Wanderungsannahmen. Um verschiedene Entwicklungsszenarien aufzuzeigen und den Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen Wanderungen Rechnung zu tragen wurden deshalb jeweils drei verschiedene Wanderungsannahmen getroffen. Diese beruhen alle auf denselben Annahmen zur Geburten- und Sterblichkeitsentwicklung und unterscheiden sich lediglich im angenommenen Wanderungssaldo. Aus dem durchschnittlichen Saldo der letzten 10 Jahre wird ein Zielwert für das Jahr 2028 gesetzt. Der jährliche Saldo nähert sich dann in der Prognoserechnung Jahr für Jahr bis 2028 diesem Zielwert an und wird ab 2028 konstant gehalten. Das Heranziehen von durchschnittlichen Saldi einer Bezugsperiode in der Vergangenheit ist eine gängige Vorgehensweise, die auch in Prognoserechnungen anderer Städte und in der Bevölkerungsvorausberechnung des Bundes praktiziert wird (z.B. Stadt Osnabrück (2020), Landeshauptstadt Bremen (2022), Statistisches Bundesamt (2021)).

Vergleich der drei Prognoserechnungen und Analogien zum Bund

Die folgende Darstellung zeigt die voraussichtliche Entwicklung laut Aktualisierung der Bevölkerungsprognose (Basisjahr 2021), sowie die Berechnungen auf Grundlage der Jahre 2019 und 2015.

Hanse- und Universitätsstadt Rostock, Hauptamt, Kommunale Statistikstelle, Quelle: Melderegister der Hanse- und Universitätsstadt Rostock, ab 2022 eigene Berechnungen

 

Ein genauer Blick auf die obenstehende Grafik zeigt, dass der „Knick“ in der Bevölkerungsentwicklung bereits im Jahr 2021 sichtbar ist. Erstmalig seit 2003 setzte sich die positive Einwohnerentwicklung im Jahr 2021 in Rostock nicht fort. Am 31.12.2021 waren in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock 209.273 Personen mit Hauptwohnung gemeldet. Verglichen mit dem Vorjahr sank die Bevölkerungszahl also um 482 Personen.

Bundesweit kommt es ebenfalls zu einer Stagnation der Bevölkerungszahl (Statistisches Bundesamt (2022)). Auch das Statistische Bundesamt stellt in seiner aktuellen Bevölkerungsvorausberechnung aus dem Jahr 2021 fest, dass die Bevölkerung des Jahres 2020 geringer ausfiel als man noch 2018 vorausberechnet hatte, „da die Nettozuwanderung 2019 und vor allem 2020 deutlich geringer war als […] angenommen wurde“ (Statistisches Bundesamt (2021)).


7. Die Bevölkerungsentwicklung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock hat in den zurückliegenden 20 Jahren maßgeblich von der positiven räumlichen Bevölkerungsbewegung profitiert, wobei die Salden der zurückliegenden fünf Jahren rückläufig sind, so dass in Verbindung mit der veränderten natürlichen Bevölkerungsentwicklung die Dynamik der Gesamtentwicklung der Bevölkerung deutlich nachgelassen hat, ja sogar eine Trendumkehr zu befürchten ist. Im Mittelpunkt der Ursachenermittlung stehen dabei die Wanderungsverluste in den Stadt-Umland-Raum. Gibt es aktuelle Erhebungen zu den Wanderungsmotiven sowie neue Erkenntnisse zu den Ursachen der zurückgehenden Wanderungsgewinne? Gibt es Erkenntnisse, wie Corona und die damit sich verändernde Arbeitswelt, die drastisch gestiegene Miet-, Boden- und Baupreise, das veränderte Zinsniveau sowie der generelle Trend der „Stadtflucht" die Wanderungsbewegungen beeinflussen und welche wirksamen Umkehrpotenziale bestehen?

 

 

Mögliche Ursachen für den Rückgang von Wanderungsgewinnen

In den letzten Jahren war der Wanderungssaldo Rostocks gegenüber den anderen Bundesländern und dem Ausland positiv. Innerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern verzeichnete die Hanse- und Universitätsstadt Rostock aber bereits 2019 und 2020 mehr Wegzüge als Zuzüge.

Hanse- und Universitätsstadt Rostock, Hauptamt, Kommunale Statistikstelle, Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern

Insbesondere gegenüber dem Landkreis Rostock verlor die Stadt Rostock an Einwohnern. Allein 2021 zogen laut Melderegister aus der Hanse- und Universitätsstadt Rostock 2.920 Personen in den Landkreis und nur 2.008 Personen aus dem Landkreis Rostock nach
Rostock (-912 Personen). Betrachtet man die Altersstruktur der Einwohner wird deutlich, dass vor allem Familien mit Kindern von der Hanse- und Universitätsstadt Rostock in den Landkreis Rostock zogen.

Hanse- und Universitätsstadt Rostock, Hauptamt, Kommunale Statistikstelle, Quelle: Melderegister der Hanse- und Universitätsstadt Rostock

Die nachstehende Tabelle macht deutlich, dass die Abweichungen der tatsächlichen Bevölkerungsentwicklung von der auf Basis des Jahres 2019 berechneten Prognose zu einem großen Anteil in den Altersgruppen bestehen, die besonders häufig in den Landkreis Rostock verziehen.

Abweichung der tatsächlichen Bevölkerungszahl des Jahres 2021 von der prognostizierten Bevölkerung auf Basis des Jahres 2019 nach Altersgruppen:

Jahr

Gesamt

Davon im Alter von … bis unter … Jahren

unter 3

3-6

6-10

10-15

15-18

18-25

25-45

45-65

65-80

80 und älter

tatsächliche Bevölkerung 2021

209.273

5.182

5.247

6.758

7.925

4.502

19.026

57.930

50.913

32.497

19.293

2021
auf Basis Prognose 2019

210.033

5.338

5.347

6.754

7.966

4.549

18.605

58.285

51.289

32.693

19.207

Differenz

-760

-156

-100

4

-41

-47

421

-355

-376

-196

86

 

Die Kommunale Statistikstelle hat in den Jahren 2013 und 2018 eine Wanderungsmotivbefragung durchgeführt. In der Erhebung des Jahres 2018 wurde deutlich, dass die drei häufigsten Gründe für einen Wegzug aus Rostock in eine andere Gemeinde des Landkreises Rostock mit der Wohnqualität in Verbindung stehen. Mehr als die Hälfte der Befragten zog aus Rostock weg, um besser und komfortabler zu wohnen. Der Umzug in Haus- oder Wohneigentum war der am zweithäufigsten genannte Grund, gefolgt von dem Wunsch, auf dem Land zu leben. Im Gegensatz dazu wird deutlich, dass bei einem Wegzug in andere Kreise Mecklenburg-Vorpommerns oder in andere Bundesländer berufliche Gründe oder familiäre Gründe im Vordergrund stehen.

 

Wohnort vor dem Zuzug bzw. nach dem Wegzug

Wegzugsgründe

der Weggezogenen nach dem

neuen Wohnort

 

 

 

Rostocker Umland-gemeinden

 

Übrige Gemeinden Landkreis Rostock

 

Übrige Kreise Mecklenburg-Vorpommern

 

Andere Bundesländer

Hanse- und Universitätsstadt Rostock, Hauptamt, Kommunale Statistikstelle, Quelle: Wanderungsmotivbefragung 2018

Deutschlandweite Trends: Suburbanisierung und Pandemie

Rostock erlebt einen Trend der Suburbanisierung. Während weiterhin viele junge Menschen zu Ausbildungszwecken in die Hanse- und Universitätsstadt ziehen, entscheiden sich Familien mit Kindern oft für einen Wegzug, zu einem großen Anteil direkt ins Rostocker Umland. Zusätzlich verzeichnete Rostock - wie viele andere Großstädte auch - in den Pandemiejahren 2020 und 2021 außergewöhnlich hohe Wanderungsrückgänge: Die Zahl der Wegzüge verringerte sich, noch stärker brachen die Zuzüge ein. Der Wanderungssaldo sank 2020 und 2021 mit +489 bzw. +394 auf ein sichtbar niedrigeres Niveau als in den Vorjahren (z.B. +986 im Jahr 2019).

Auch deutschlandweit verlangsamte sich das Städtewachstum in den letzten Jahren. Im Jahr 2020 kam es zu einer Trendumkehr in den kreisfreien Städten Deutschlands. Während in den 2010er-Jahren noch mehr als 80 Prozent aller kreisfreien Städte Wanderungsgewinne erlebten, schrieben im Jahr 2020 79 Prozent der 107 kreisfreien Städte nur noch abgeschwächte Wanderungsgewinne, verstärkte Wanderungsverluste oder neue Wanderungsverluste. Im Gegensatz dazu erzielten mehr als 94 % aller Stadtumlandkreise Wanderungsgewinne (Wolff et al. 2022).

 

Die linke Darstellung verdeutlicht den Wandel anhand des Wanderungssaldos der kreisfreien Großstädte. Während dieser seit ca. 2003 durchweg positiv war, also mehr Menschen in die kreisfreien Großstädte zogen, als in die Umlandkreise, drehte sich die Dynamik ab 2019 und ein Trend der Suburbanisierung scheint erkennbar. Im Vergleich dazu zeigt der Rostocker Wanderungssaldo auf der rechten Seite einen ähnlichen Trend.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hanse- und Universitätsstadt Rostock, Hauptamt, Kommunale Statistikstelle, Datenquelle: Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; 2021* vorläufige Angaben des Melderegisters der Hanse- und Universitätsstadt Rostock

 

Quelle: Wolff et al. 2022

 

Die Pandemie hat natürlich auch Einfluss auf demografische Entwicklung, wird aber laut aktuellem Stand der Forschung nicht als ursächlich angesehen, sondern scheint eher als Beschleuniger des Suburbanisierungstrends zu gelten:

„COVID-19 wirkte nicht wie ein Schock, der alles veränderte, sondern eher wie ein Verstärker bereits vorhandener Trends“ (Rink 2022)

8. Blickt man auf das Wanderungssaldo der zurückliegenden zwei Jahre als auch auf die demoskopischen Prognosen für das Land Mecklenburg Vorpommern, dem ca. 40% der Wanderungsbewegung nach Rostock entspringt, so scheint selbst die mittlere Variante eine optimistische Prognose zu sein. Welche Annahmen liegen der mittleren Variante zu Grunde?

 

Laut Wanderungsannahme der mittleren Prognosevariante steigt der Wanderungssaldo auf +934 Personen im Jahr 2028 an, und wird in den Folgejahren konstant gehalten. Dieser Wert entspricht dem Durchschnitt der Saldi der Jahre 2012 bis 2021, wobei die Jahre 2015 und 2016 um zusätzlich zugewiesene Geflüchtete korrigiert wurden.

Die mittlere Variante kann als „optimistisch gedacht“ betrachtet werden, wenn man bedenkt, dass ein jährlicher Wanderungssaldo im Jahr 2028 von +934 Personen einen deutlichen Anstieg im Vergleich zum Basisjahr 2021 bedeuten würde (+394). Da die Jahre 2020 und 2021 aber von der Pandemie gekennzeichnet waren und demografisch betrachtet Ausnahmejahre darstellen, macht eine Berücksichtigung des durchschnittlichen Wanderungssaldos der letzten 10 Jahre durchaus Sinn. So werden die wanderungsschwachen Jahre berücksichtigt, aber auch nicht überbewertet.

 

Des Weiteren sollte die Annahmen-Generierung analog zur Prognoseberechnung auf Basis des Jahres 2019 erfolgen (siehe Tabelle unter Punkt 6).

Quellen:

Hanse- und Universitätsstadt Rostock, Hauptamt, Kommunale Statistikstelle (2019): Wanderungsmotivbefragung.

 

Rink, Dieter (2022): Temporäre urbane Schrumpfung durch COVID-19 – Zur Einwohnerentwicklung der 15 größten deutschen Städte im Jahr 2020. Vortrag auf der Frühjahrstagung des Verbands Deutscher Städtestatistiker am 29.03.2022. URL Working Paper: https://www.ufz.de/export/data/global/254276_DP_2021_3_Rink_etal.pdf

 

Stadt Osnabrück (2020): Bevölkerungsprognose Osnabrück 2020-2030. Osnabrücker Beiträge zur Stadtforschung.

 

Statistisches Bundesamt (2021): Ausblick auf die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und den Bundesländern nach dem Corona-Jahr 2020. Erste mittelfristige Bevölkerungsvorausberechnung 2021 bis 2035

 

Statistisches Bundesamt (2022): 2021 voraussichtlich erneut kein Bevölkerungswachstum. Pressemitteilung Nr. 027 vom 20.01.2022.

 

Statistisches Landesamt Bremen (2022): Bevölkerungsvorausberechnung Bremen. Dezember 2021. https://www.transparenz.bremen.de/metainformationen/anlage-top-3-bevoelkerungsvorausberechnung-175791

 

Wolff, Manuel; Leibert, Tim; Haase, Annegret u. Dieter Rink (2022): Neue regionale Wanderungsdynamik durch die COVID-19 Pandemie? In: Nationalatlas aktuell 16 (01.2022) 1 [20.01.2022]. Leipzig: Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL). URL: http://aktuell.nationalatlas.de/bevoelkerungsentwicklung-1_01_2022-0-html/

 

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Claus Ruhe Madsen

 

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