Stellungnahme - 2018/AN/4188-01 (SN)

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Beratungsfolge

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Sachverhalt:

Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II und § 35 Abs. 1 SGB XII werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG B 4 AS 30/08 R; B 04 AS 18/09 R; B 4 AS 19/11 R) sind Aufwendungen für eine Wohnung nur dann angemessen, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht.

 

Abweichend von dieser Rechtsprechung wurde sich in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock zu keinem Zeitpunkt nur am unteren Segment orientiert. Richtwert ist der abgerundete Mittelwert laut Mietspiegel, d. h., für die Leistungsberechtigten kommt ein besserer Standard (und damit auch eine höhere Leistung für Unterkunft und Heizung) zur Anwendung, als es das Bundessozialgericht (BSG) für angemessen und somit unbedingt erforderlich hält.

 

Der Wohnraum soll nach aktueller Rechtsprechung auch keinem gehobenen Standard genügen. Schaut man in den aktuellen Mietspiegel, sind die Ortsteile Kröpeliner Tor-Vorstadt und Stadtmitte der Innenstadtlage zuzuordnen. Die Preise dort liegen oberhalb der Preise für Wohnungen, die als gute Wohnlage einzuordnen sind. Auch diese wären nach Auffassung des BSG bereits nicht mehr in die Beurteilung der Angemessenheit einzubeziehen. In Rostock wird dennoch anders agiert.

 

Tatsächlich ist die Verteilung der Transferleistungsbeziehenden in der Stadt ungleichmäßig. Insbesondere in den Stadtteilen Groß-Klein, Toitenwinkel, Schmarl, Evershagen, Lütten-Klein, Lichtenhagen und Dierkow-Neu liegt die Zahl der Leistungsbeziehenden je 1.000 Einwohner*innen z.B. im SGB II deutlich über dem Durchschnitt.

 

Die Feststellung, dass nur 9 % aller Leistungsempfänger*innen auf zwei Ortsteile entfallen, in denen 19 % aller Einwohner*innen Rostocks leben, ist jedoch ein rein rechnerisches Ergebnis, welches die sozialen und Altersstrukturen der verschiedenen Ortsteile nicht berücksichtigt. Insbesondere für Studierende, welche in der Regel von Leistungen nach SGB II und XII ausgeschlossen sind, sind diese beiden Ortsteile aufgrund ihrer Nähe zur Universität beliebte Wohngebiete. Die Zahl der Menschen mit niedrigem Einkommen liegt in den Stadtteilen deutlich höher, als es die Statistik der Leistungsbezüge vermuten lässt.

 

Zudem berücksichtigt der Antrag in keiner Weise, dass in Stadtteilen wie Biestow oder Gehlsdorf die Zahl der Leistungsbeziehenden noch deutlich niedriger ist, gerade auch, wenn die Betrachtung auf Basis der Leistungsbeziehenden je 1.000 Einwohner*innen vorgenommen wird. Zur Verdeutlichung wurden zwei Grafiken als Anlage eingefügt.

 

Aus Sicht der Verwaltung ist fraglich, ob die gleichmäßigere Verteilung von Leistungsbeziehenden durch eine Regelung zu den Kosten der Unterkunft und Heizung erreicht werden kann. Es erscheint deutlich eher Erfolg zu versprechen, die Attraktivität aller Stadtteile auf ein vergleichbares Niveau anzuheben.

 

Seitens der Verwaltung wird darüber hinaus angemerkt, dass die aktuellen Regelungen bei der Einzelfallprüfung zur Angemessenheit der Unterkunftsbedarfe auch Ausnahmen zulassen, die regelmäßig Anwendung finden:

 

  • Bei der Neuanmietung von Wohnraum kann zur Vermeidung von Härtefällen der jeweils aktuelle Ist-Wert der Gesamtangemessenheitsgrenze um bis zu 5 % überschritten werden, wenn der Nachweis erbracht wird, dass in absehbarer Zeit (Regelfrist 6 Monate) Wohnungen innerhalb der Gesamtangemessenheitsgrenze nicht verfügbar sind.

 

  • Bei Bestandsmieten sind unangemessen hohe Aufwendungen für die Unterkunft so lange als Bedarf anzuerkennen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.  Macht ein Leistungsempfänger geltend, es sei ihm wegen der Situation am örtlichen Wohnungsmarkt nicht möglich, eine angemessene Unterkunft innerhalb von sechs Monaten zu beziehen, so ist er verpflichtet, substantiiert darzulegen, dass eine solche Unterkunft auf dem örtlichen Wohnungsmarkt nicht vorhanden bzw. trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen nicht zu erlangen ist.

 

  • Die tatsächlichen Lebensverhältnisse, also die Berücksichtigung persönlicher und familiärer Zusammenhänge, sind in die Einzelfallentscheidungen einzubeziehen. In diesen Fällen können erhöhte Kosten für die Unterkunft und Heizung in Höhe von bis zu 5 m² mehr Wohnfläche als Bedarf anerkannt werden.

 

  • Insbesondere für Leistungsbeziehende nach dem 4. Kapitel des SGB XII (Grund­sicherung im Alter) sollen Umzüge vermieden werden, wenn es als angemessen dargestellt werden kann.

 

Insofern wird durch die Verwaltung nach Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Anpassung der Obergrenzen für einzelne Stadtteile als nicht notwendig betrachtet.

 

Durch die Verwaltung wird vielmehr daran gearbeitet, die Lebensqualität aller Stadtteile zu verbessern. So wurden durch gezielte Maßgaben der Sozial- sowie Kinder- und Jugendhilfe das Bestehen und die Lebensqualität einer sozial durchmischten Stadtgesellschaft gesichert.

 

Beispielhaft sind hier die vergleichsweise hohe Dichte an neun Stadtteil- und Begegnungszentren, die Ansätze des Quartiers- sowie Stadtteilmanagements, das Programm „Soziale Stadt“ sowie verschiedenste Bürgerbeteiligungsprozesse (z. B. „Zukunftsplan Rostock“) zu benennen. Eine besondere Rolle ist den integrierten Planungsprozessen einzuräumen, die den Blick auf Kinder, Jugend, Familie, Senior*innen sowie Menschen mit Behinderung(en) etc. vereinen, beispielgebend die konsequente Umsetzung des Fachkonzeptes „Sozialraumorientierung“. Weiterhin wirken Konzepte der Schulsozialarbeit, der Offenen Kinder- und Jugendarbeit sowie der aufsuchenden Sozialarbeit (Streetwork) sozialer Segregation entgegen. Auch die Anhebung der Versorgungsquoten im Hort – insbesondere in Groß Klein, Schmarl und Toitenwinkel - seien hier genannt. Das Angebot an Kita-Plätzen entspricht bereits jetzt nahezu einer Vollversorgung. Die modellhafte Erprobung eines Kinder- und Familienzentrums ist in die Wege geleitet worden. All diese Instrumente sind wichtig zur Vermeidung von Armut in verschiedensten Dimensionen – somit letztlich förderlich für ausgeglichene soziale und kulturelle Verhältnisse.

 

Darüber hinaus wirken Angebote der sozialen (auch kulturellen) sowie verkehrstechnischen Infrastruktur auf die Durchmischung der Stadtbereiche. Hier können beispielhaft das Freiraum- und Umweltkonzept sowie den nahezu barrierefreien Nahver­kehrsgestaltung genannt werden. Auch das „Bündnis für Bildung“, welches in Evershagen seine Modellregion formiert, wird nach Bürgerschaftsbeschluss durch die Verwaltung (unter Federführung der Volkshochschule und unter Mitwirkung weiterer Ämter und Institutionen) umgesetzt.

 

Abschließend wird auf die Zielstellung des „Bündnisses für Wohnen“ im Bereich der sozialen Durchmischung verwiesen: „Schaffung und Erhalt attraktiver, lebendiger und sozial stabiler Wohnquartiere, die sowohl in ihrer Bevölkerungsstruktur als auch funktional gemischt sind. In der Wechselwirkung zwischen räumlicher und gesellschaftlicher Entwicklung wird eine Angleichung der Lebensverhältnisse im Stadtgebiet mit dem Instrument einer „inklusiven Wohnungspolitik“ unterstützt. Der räumlichen Konzentration von benachteiligten und einkommensschwachen Haushalten soll vorgebeugt werden. Kostengünstige Wohnungen sollen unter Beachtung einer stadtweiten Streuung ermöglicht werden.“

 

 

 

 

 

Steffen Bockhahn

 

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Anlagen

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Beschlüsse

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17.01.2019 - Finanzausschuss - zur Kenntnis gegeben

Erweitern

30.01.2019 - Bürgerschaft - zur Kenntnis gegeben