Informationsvorlage - 2010/IV/1052
Grunddaten
- Betreff:
-
Formlose Hilfen und fallunspezifische Leistungen in der Hansestadt Rostock und neuer Prozess der Umsteuerung
- Status:
- öffentlich (Vorlage freigegeben)
- Vorlage freigegeben:
- 09.04.2010
- Vorlageart:
- Informationsvorlage
- Federführend:
- Amt für Jugend, Soziales und Asyl
- Fed. Senator/in:
- S 3, Dr. Liane Melzer
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Jugendhilfeausschuss
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Kenntnisnahme
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20.04.2010
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Beschlussvorschriften: § 27 SGB VIII
bereits gefasste Beschlüsse: 0108/08-BV
Sachverhalt:
Wir möchten über den gegenwärtigen Stand der Arbeit informieren.
Zielvorstellung bei Einführung
der formlosen Hilfen und fallunspezifischen Leistungen im Rahmen der Hilfe zur
Erziehung (HzE) war es, über sozialraumorientierte Arbeit das Gemeinwesen so zu
entwickeln, dass Familien mit Kindern, Jugendlichen sowie junge Volljährige
notwendige Unterstützungsleistungen mit einem niedrigschwelligen Zugang
erhalten. Hierzu wurden die Instrumente der fallunspezifischen Leistungen und
formlosen Hilfen im Februar 2008 durch den JHA beschlossen.
Formlose Hilfen sind ein zeitlich begrenztes Unterstützungsangebot auf der Handlungs-ebene. Dies bedeutete, dass aktuelle Problemlagen kurzfristig durch praktische Lebensbe-wältigung unter Nutzung und Entwicklung sozialräumlicher Angebote bearbeitet werden sollten.
Fallunspezifische Leistungen
beinhalten die Aneignung von Kenntnissen des sozialen Raumes, vorhandener
Bedarfe und Ressourcen. Sie sind eine sozialräumlich orientierte Netzwerk- und
Strukturarbeit. Dazu zählten laut Beschluss auch Leistungen der Prävention und
Vernetzung.
Wir gingen davon aus, dass so
frühzeitiger mehr Kinder und Jugendliche und ihre Familien erreicht und sie
nachhaltiger integriert werden können, bevor sich Problemlagen verfestigen.
Nach einem Anstieg ambulanter Hilfen war mit einem Gleichstand bzw. Rückgang dieser
Hilfen durch die benannte Vorfeldarbeit/ Präventionsarbeit zu rechnen.
Insgesamt sollte sich das Stundenvolumen im Bereich der ambulanten Hilfe zur
Erziehung (HzE) nicht erhöhen. Dies ist aber nicht eingetreten, so dass wir
nach den Ursachen hierfür gesucht haben.
Zunächst konnten wir positiv feststellen, dass sich
die sozialräumlichen Arbeitsstrukturen durch die Bildung von
Sozialraumfachteams und Lenkungsgruppen förderlich auf die Kommunikation und
Kooperation zwischen den Trägern und dem Amt (Regionalbüros) ausgewirkt haben.
Das Verständnis von
fallunspezifischer Arbeit bestand vor allem in der Umsetzung von Projekten, die
durch die HzE-Träger selbst erbracht wurden und teilweise zum klassischen
Bereich der Kinder- und Jugendarbeit gehören. Dies war so nicht angedacht.
Vielmehr sollten vorhandene Ressourcen genutzt werden. Zu der von uns
erwünschten Kooperationsausrichtung zu anderen, bereits vorhandenen Angeboten
im Sozialraum, kam es nicht oder nur ansatzweise.
Nicht erreicht wurden die Entwicklung
von passgenauen sozialräumlichen Angeboten im Gemeinwesen sowie die
Weiterentwicklung kooperativer Arbeitsformen mit anderen Diensten, Trägern und
Verbänden zur Vermeidung von HzE. Ressourcen sollten mobilisiert und Akteure im
Sozialraum bei der Entwicklung bedarfsgerechter Angebote unterstützt werden,
die präventiv wirken und weiterführende HzE vermeiden sollten.
Durch das Instrument der
formlosen Hilfen gelang ein zeitnaher und niederschwelliger Zugang zu Familien
mit Unterstützungsbedarfen. Die inhaltliche Ausgestaltung entsprach in der
Regel aber einer Hilfe zur Erziehung. Eine direkte Anbindung an sozialräumliche
Angebote gelang eher selten.
Aufgrund dieser Erfahrungen und
der Auswertung des jährlichen Fachtages sozialraumorientierter und fallunspezifischer
Leistungen wurde die Notwendigkeit eines Umsteuerungsprozesses deutlich. Die
Vereinbarungen zu den formlosen Hilfen laufen zum 30.04.2010 aus. Aus Sicht der
Verwaltung des Amtes für Jugend und Soziales ist es erforderlich, die
sozialraumorientierte Arbeitsweise fortzuführen und den Weg für ein neues
inhaltliches Herangehen im Sinne einer Umstrukturierung zu eröffnen.
Anders als bisher sollen zum
einen sozialräumliche Projekte entwickelt werden und zum anderen bestehende
Ressourcen verschiedenster Träger mit denen der Träger, die sich speziell mit
der Hilfe zur Erziehung befassen, verknüpft werden.
Ziel ist es, über eine sozialräumliche
Angebots- und Projektentwicklung das bestehende infrastrukturelle Angebot als
auch die Leistungserbringung bei individuellen erzieherischen Bedarfen in
Abstimmung miteinander zu einer neuen Qualität zu verbinden. Die gemeinsame
Ausrichtung unterschiedlicher Träger auf einen Sozialraum soll dadurch gestärkt
und gefördert werden. Mit der Umsteuerung versprechen wir uns Synergien von
Leistungen für junge Menschen und ihren Familien, die sowohl fachlich-, ämter-
als auch themenübergreifend sind und die eine Entwicklung von sozialraum- und
milieunahen Angebotsstrukturen ermöglichen. Bestehende Angebote, Kompetenzen
und Ressourcen werden somit gebündelt und für die Zielgruppe HzE vorgehalten.
Der offene Zugang ermöglicht einerseits präventiv unterstützend zu wirken und
andererseits notwendige Leistungen sowohl vor, während und nach einer Hilfe zur
Erziehung vorzuhalten.
Dies soll durch verbindliche
Kooperationsstrukturen zwischen HzE-Trägern und Trägern der offenen Kinder- und
Jugendarbeit sowie Stadtteilbegegnungszentren erfolgen. Es sollen mindestens
zwei Kooperationspartner beteiligt werden. Dabei bringen die
Kooperationspartner ihre eigenen Ressourcen (laufende Projekte, Räume u. ä.)
mit ein, wobei die originären Aufgaben der Einrichtungen erhalten bleiben.
Daneben ist für die regionalraumbezogene Projektarbeit ein Projektbudget
vorgesehen.
Die Gremien Sozialraumteam und
Lenkungsgruppe bleiben bestehen, jedoch mit veränderter Aufgabenstellung und z.
T. veränderter Zusammensetzung. So werden zu den Teilnehmern HzE -Träger,
weitere Träger der Jugendhilfe und andere Akteure des sozialen Raumes gehören.
Es sollen Projekte bewilligt
werden, die bestimmte Kriterien erfüllen müssen und zeitlich befristet einen
aufgetretenen Bedarf abdecken sollen. Die zu schaffenden Angebote/Projekte
sollen zum einen schnell zugängliche, unbürokratische und im Alltag wirksame
Hilfen anbieten. Zum anderen sollen sozialraumbezogene Lösungsansätze für
einzelfallbezogene Problemstellungen gefunden und durch ein rechtzeitiges Agieren
schwierige und kostenintensive Hilfeverläufe vermieden werden. Damit werden
Alternativen zu den Hilfen zur Erziehung ausgebaut und ein Beitrag zur
Vermeidung bzw. Verkürzung von Hilfen zur Erziehung geleistet. Hierzu soll
durch ein internes Controllingsystem evaluiert werden, wie sich die
sozialräumliche Vorfeldarbeit auf die Entwicklung der HzE-Fälle ausgewirkt hat
und ob es gelungen ist, die Anzahl der HzE-Fälle zu verringern.
Für die sozialraumorientierte Arbeitsweise im Vorfeld des § 27 SGB VIII besteht kein gebundener Rechtsanspruch. Die Ausgestaltung und Umsetzung erfolgte bisher durch den Beschluss des JHA vom 26.02.2008. Kinder, Jugendliche und Eltern sollen Hilfen nicht erst dann zur Verfügung stehen, wenn die Erziehung in der Familie ernsthaft gefährdet ist. Die Leistungen der Jugendhilfe sollen vielmehr dazu beitragen, Gefährdungen zu vermeiden.
§ 27 Abs. 2 SGB VIII ermöglicht
die Entwicklung von Hilfeformen im Vorfeld zur Hilfe zur Erziehung nach § 27
Abs. 1 SGB VIII. Diese ins Ermessen gestellte kreative Aufgabe haben wir bisher
wahrgenommen. Wie aufgezeigt haben unsere bisherigen Ansätze zur
fallunspezifischen und formlosen Arbeit nicht die beabsichtigten Ziele
erreicht, so dass wir nunmehr umsteuern wollen und den vorbenannten neuen Prozess
in Gang setzen wollen.
Der JHA erhält im Juni 2010
weitere Informationen, z.B. zur Zusammensetzung und Aufgaben von Sozialraumteam
und Lenkungsgruppe, der fachlichen Richtlinie, der Projektentwicklung und zur
Dokumentation.
Finanzielle Auswirkungen:
Zur finanziellen Umsetzung wurde
den beteiligten Trägern bisher ein Anteil ihres Stundenvolumens pauschal zur
Verfügung gestellt, der entsprechend der geleisteten Arbeit verrechnet wurde. Der
vorgesehene bereitzustellende Finanzrahmen für die zukünftige Projektarbeit
entspricht dem Umfang des sozialräumlichen Budgets für formlose und
fallunspezifische Leistungen des Jahres 2009 in Höhe von 380.000 € und
wird den Regionen anteilig zur Steuerung, Planung und Umsetzung von Projekten
zur Verfügung gestellt.
Dr. Liane Melzer