Anregung - 0002/06-AR
Grunddaten
- Betreff:
-
Verkauf von kommunalen Wohnungseinheiten (Portfolio-Bildung)
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlage freigegeben:
- 14.06.2006
- Vorlageart:
- Anregung
Wie den regionalen Medien in
den vergangenen acht Wochen zu entnehmen war, besteht seitens der Hansestadt
Rostock die Absicht, einen Teil des WIRO-Wohnungsbestandes zu verkaufen.
Die Rede ist von etwa 3000 Einheiten,
wobei die Angaben über die Gegenden, die davon betroffen sein werden,
differieren. Erwähnt wurde in diesem Zusammenhang die „Deutsche
Annington“ (Sitz Frankfurt/Main). Die Berichte wurden, wie zu lesen war,
von den Stadtoberen zumindest nicht dementiert.
Das Thema „Verkauf
kommunaler Wohneinheiten“ (an zumeist aus dem anglo-amerkikanischen Raum
stammende „Investoren“, bislang Verkauf von etwa 500.000 Wohnungen
aus Bundes- oder kommunalen Bestand) bewegt die Gemüter über Partei- und
Weltanschauungsgrenzen hinweg. Ob nun das globalisierungskritische Netzwerk
„attac“, weite Teile der PDS-Mitgleidschaft (siehe Leserbriefseiten
in „Neues Deutschland“, Monate April, Mai 2006), die Bündnisgrünen
(v. a. Landesverband Niedersachsen), Oberbürgermeister, die den großen
Parteien angehören, oder nationalistische NPD: Die Ablehnung erfolgt auf
breiter Front und dabei sicherlich aus unterschiedlichen Motivationen heraus.
“Die Welt“ (Hamburg) bemerkt zum Procedere in ihrer Ausgabe vom 5.
Januar 2006: „Für die Finanzinvestoren ist jeder Kauf fast ein Geschäft
ohne Risiko: Für eine Immobilienfirma zum Preis von beispielsweise einer
Milliarde Euro zahlt der Investor nur 30 Prozent aus dem Fonds (gespeist von
Privatleuten, Pensionskassen, Versicherungen), für die restlichen 700 Millionen
Euro nimmt er Kredite auf. Diese werden aus den Mieteinnehmen getilgt. Solange
die Rendite aus den Mieteinnahmen höher ist als die Kreditzinsen, so wie
derzeit, streicht der Investor hier bereits einen kleinen Gewinn ein. Gesteigert
wird der Profit durch die Aufteilung und den Weiterverkauf von Wohnungen an die
Mieter. Am Ende der Fondslaufzeit verkauft der Investor die Restbestände und
streicht den gesamten Kaufpreis ein. Bezahlt hat er nur 30 Prozent, kassiert
aber 100 Prozent.
Und der Staat bekommt keinen Cent Steuer, da der Investor von Anfang an in der
Kreide stand.“
An erster Stelle steht die
Erwirtschaftung von Renditen (meist im zweistelligen Bereich). Vordergründig
dreht sich zwar alles um „Sozialchartas“ (u. a. Verbot von
Luxussanierungen, Kündigungsschutz über fünf oder zehn Jahre). Tatsächlich
bewegt sich die Sache im Bereich „börsennotierter Handel“. Sobald
die Eigentumsrechte über Aktien frei handelbar sind, können die einst kommunalen
Gesellschaften zum Übernahmeobjekt werden.
Der Wert der Immobilien wird
alles andere als gesteigert. Kapital in Gestalt von Mieteinnahmen, das bislang
für Maßnahmen der Instandhaltung zurückgelegt wurde, findet für die
Befriedigung
von Renditeansprüchen der Anleger Verwendung. Und nicht zuletzt würde sich die
Stadt durch den Verkauf dieses Bereichs kommunalen Tafelsilbers den Spielraum
für künftiges Handeln entziehen.
Meine sehr geehrten Damen und
Herren, ich bitte Sie, sich der Verantwortung auch in dieser Hinsicht im Klaren
zu sein. Handeln Sie bei allen Haushaltsproblemen nicht kurzsichtig. Ich
spreche damit, glaube ich, im Namen vieler Rostockerinnen und Rostocker.
Lutz Dessau
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