Stellungnahme - 0046/04-SN
Grunddaten
- Betreff:
-
Wohngebiet "Am Tonnenhof" und Werftenstandort Rostock
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlage freigegeben:
- 31.03.2004
- Vorlageart:
- Stellungnahme
Nummer |
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DER OBERBÜRGERMEISTER |
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Amt |
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Datum |
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d. Frau/Herrn/Fraktion/Ortsbeirates |
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Fraktion Bündnis 90, v. 17.03.2004 |
Genehmigungsvermerk |
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federführend |
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Gegenstand |
beteiligt |
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Verteiler |
Sitzungstermin |
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Die
Fläche des „Tonnenhofs“ wurde nach 1990 für den Marinestandort
„Hohe Düne“ nicht mehr benötigt. Nach erfolgtem Rückbau lag sie
brach. Eine städtebauliche Untersuchung zur Nachnutzung der Fläche hat die
Eignung als Wohnungsbaustandort ergeben. Da sich die Fläche zu diesem Zeitpunkt
im Eigentum des Bundesvermögensamtes befand, sollte der Standort der Errichtung
von Wohnungen für Bedienstete der Bundesmarine dienen, da hier konkreter Bedarf
bestand.
Das
formelle Bebauungsplanverfahren zum Wohngebiet „Am Tonnenhof“
begann 1995 mit dem Aufstellungs- und Auslegungsbeschluss (18.01.1995 - Nr.
207/7/1995). Bereits hier wurde als Planungsziel formuliert, „Baurecht
für den Neubau von ca. 400 WE für den Geschosswohnungsbau“ zu schaffen,
indem der im fortgeltenden Flächennutzungsplan bisher als sonstige Baufläche
ausgewiesene Bereich in ein „allgemeines Wohngebiet“ umgewidmet
werden soll.
Der Entwurf des Bebauungsplanes wurde nach öffentlicher Bekanntmachung im Städtischen Anzeiger am 24.02.1995 vom 06.03. - 07.04.1995 öffentlich ausgelegt. In dieser Zeit erfolgte am 07.03.1995 eine Erörterung gemäß § 2 (2) BauGB-MaßnG. Die betroffenen Träger öffentlicher Belange wurden mit Schreiben vom 20.02.1995 am Verfahren beteiligt. Während der öffentlichen Auslegung und Einsichtnahmemöglichkeit in den Bebauungsplanentwurf hat sich die Werft weder schriftlich noch mündlich geäußert. Bedenken wurden nicht vorgebracht.
Im
Rahmen des Planverfahrens wurden Lärmschutzgutachten erstellt, die alle
vorhandenen Lärmemitenten berücksichtigten und an Messpunkten die
Lärmimmissionen ermittelten. Der Satzungsbeschluss wurde am 15.11.1995 (Nr.
525/17/1995) gefasst. Das Bauministerium als Genehmigungsbehörde hat den
Bebauungsplan mit Maßgaben am 30.04.1996 genehmigt.
Im
Jahre 1996 hat der bisherige Bauherr den Standort „Tonnenhof“
aufgegeben. Das Grundstück wurde durch die TLG erneut ausgeschrieben. Im ersten
Halbjahr 1998 wurde die Fläche an den jetzigen Investor verkauft. Mit dem neuen
Eigentümer konnte die Stadt den Erschließungsvertrag vorbereiten, dieser wurde
am 06.10.1999 (0095/99) durch die Bürgerschaft beschlossen. Erst auf Grund des
Vertrages wurde die Stadt in die Lage versetzt, die mit Genehmigung des
Bebauungsplanes verbundene Maßgabe, Sicherstellung des Hochwasserschutzes
(Deichsystem), zu erfüllen. Zu keiner Zeit des Verfahrens wurden Lärmschutzfestsetzungen
bemängelt oder als unzureichend bezeichnet.
Auf
die Veränderung der Betriebsorganisation und die erteilten Betriebserlaubnisse
der Schiffbaubetriebe haben Neptun Industrie GmbH und die Kvaerner Werft mit
Schreiben vom 14.06.2000 und 30.06.2000
erstmals aufmerksam gemacht, über zukünftige Entwicklungsabsichten erfolgten
keinerlei Äußerungen.
Daraufhin
hat die Stadt die Lärmsituation erneut überprüft und Lärmschutzvorkehrungen auf
weitere Flächen des Bebauungsplanes ausgedehnt und verschärft. Von diesen
Änderungen war jedoch in erster Linie der Grundstückseigentümer betroffen, ihm
wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine erneute Beteiligung der
Industrie- und Gewerbebetriebe war nicht erforderlich, da sie von den
Festsetzungen der passiven Schallschutzmaßnahmen im Plangebiet nicht betroffen
waren. Die Grundzüge der Planung wurden mit den Änderungen nicht berührt.
Der
überarbeitete Bebauungsplan wurde am 13.06.2001 erneut als Satzung (Nr.
0175/01) beschlossen. Die Genehmigung durch das Ministerium für Arbeit und Bau
wurde am 31.08.2001 mit Maßgaben erteilt. Der Beitrittsbeschluss erfolgte am
06.03.2002 (Nr. 0859/01), die Satzung wurde durch die Genehmigungsbehörde
genehmigt und am 04.04.2002 rechtskräftig.
Ein Grundsatz aller städtischen Planungen ist es, den Bestand der industriell-gewerblichen Nutzungen sowohl der Aker Warnow Werft als auch der anderen Unternehmen in diesem Gebiet zu erhalten und eine angemessene Fortentwicklung zu ermöglichen. Dies ist im speziellen Bebauungsplanverfahren bei der Begutachtung der im Plangebiet auftretenden Immissionsbelastung unter Rücksichtnahme auf diese Interessen ablesbar. Die Möglichkeit der Nutzung dieses Standortes „Am Tonnenhof“ wurde bereits in der ersten Phase der Planbearbeitung von einer Untersuchung der bestehenden und hinzukommenden Lärmeinwirkungen abhängig gemacht. Dies ist auch der mit dem Satzungsbeschluss vom 13.06.2001 verbundenen abschließenden Abwägung zu entnehmen.
Weitere
Einschränkungen für die industriell-gewerblichen Nutzungen, die sich aus dem
neuen Wohngebiet ergeben können, sind nicht ersichtlich. Vielmehr werden die
Gewerbebetriebe bereits jetzt aus dem Bestand der schutzbedürftigen
Nutzungen (Wohn- und Mischgebiet Warnemünde, Wohngebiet Nordrand Lichtenhagen,
Groß Klein mit Altersheim und der Wohnsiedlung Hohe Düne) eingeschränkt. Eine
uneingeschränkte industriell-gewerbliche Nutzung ist somit auch ohne das
Wohngebiet „Am Tonnenhof“ nicht möglich.
Das
Wohngebiet weist auf Grund seiner Lage am Seekanal und gegenüber von Warnemünde
eine besondere Attraktivität aus und ist als Wohnbaufläche ohne Vorgabe einer
besonderen Zielgruppe entwickelt worden. Es besteht weiterhin eine Nachfrage
nach attraktiven Wohnungen. Im Hinblick auf die Einwohnersituation der
Gesamtstadt und die Verfügbarkeit der für Wohnungsneubau geeigneten Flächen ist
daraus eine ausreichende Rechtfertigung für die Planung gegeben. Die Stadt geht
nach wie vor von der Vereinbarkeit der geplanten Wohnbebauung mit dem
Industrie- und Werftstandort aus.
Zu 1.
Die
Aker Warnow Werft GmbH hat gegen die der FRIGG Bauträgergesellschaft mbH am
15.11.2001 erteilte Baugenehmigung zum Neubau des Wohngebiets „Am
Tonnenhof“ folgende Einwände erhoben:
Der
der Baugenehmigung zugrunde liegende Bebauungsplan Nr. 01.WA.87 Wohngebiet
„Am Tonnenhof“ ist nach Auffassung von Aker unwirksam, weil sowohl
Abwägungsvorgang als auch Abwägungsergebnis fehlerhaft sind. Den Abwägungsvorgang
betreffend moniert die Werft insbesondere eine angeblich falsche Ermittlung der
Immissionssituation am Tonnenhof sowie die fehlende Einstellung der Belange der
Industrieunternehmen und der Wohnbevölkerung in die Abwägung. Das Planungsergebnis
ist nach Auffassung der Werft fehlerhaft, weil die Stadt den Grundsatz der
Trennung von unverträglichen Nutzungen sowie das Gebot der planerischen
Konfliktbewältigung verletzt und infolge dessen die von der Planung berührten
Belange zu keinem gerechten Ausgleich gebracht hat.
Darüber
hinaus werden Fehler im Planaufstellungsverfahren gerügt.
Ohne
wirksamen B-Plan wäre die darauf beruhende Baugenehmigung rechtswidrig.
Aker
wendet darüber hinaus ein, durch die Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt
worden zu sein.
Das
VG Schwerin ist in seiner erstinstanzlichen Entscheidung im laufenden
Eilverfahren davon ausgegangen, dass die Baugenehmigung Aker nicht in ihren
Rechten verletzt.
Zu
2.
Änderungen
des Bebauungsplanes wurden nicht beantragt. Der Bebauungsplan hätte auch nur im
förmlichen Planungs- und nicht im Baugenehmigungsverfahren geändert werden
können.
Die
erteilte Baugenehmigung entspricht grundsätzlich den Festsetzungen des
Bebauungsplanes. Durch den Investor beantragte und erteilte Befreiungen von
Festsetzungen des Bebauungsplanes sind im wesentlichen bauordnungsrechtlicher
Natur und berühren nicht die Grundzüge der Planung. Zu Lärmschutzfestsetzungen
wurden keine Befreiungen beantragt oder erteilt.
Zu
3.
Im
Rahmen des Bebauungsplanverfahrens ist jedermann durch öffentliche
Bekanntmachung aufgefordert, während der öffentlichen Auslegung des
Planentwurfes seine Bedenken und Anregungen vorzubringen. Die Möglichkeit hatte
auch die Werft. Wie bereits oben ausgeführt, hat sich die Werft an diesem Verfahren
nicht beteiligt. Trotzdem hat die Stadt die Situation der Werft in das
Abwägungsverfahren eingestellt und bei allen zu erstellenden Gutachten im
Rahmen des Verfahrens berücksichtigt.
Zu
4.
Die existierende Betriebserlaubnis für die Aker Warnow Werft wurde der Lärmbeurteilung zugrunde gelegt und kann auch weiterhin uneingeschränkt genutzt werden. Diese beinhaltet auch die Zulässigkeit des 3-Schichtbetriebes.
Wie
oben schon dargestellt, ist die Entwicklung der Werft bereits schon aus dem
Bestand der schutzbedürftigen Nutzungen der näheren Umgebung eingeschränkt. Zu
diesem Bestand gehört auch das vorhandene Wohngebiet „Hohe
Düne“.
Zu
5.
Konkrete zukünftige
Kapazitätserweiterungen sind nicht untersucht worden, da hierzu keine Angaben
vorlagen. Die allgemeinen Entwicklungsmöglichkeiten der Werft sind durch die
historisch entstandene klassische Gemengelage, in welcher Wohn- und
industrielle Nutzungen auf engem Raum aneinandergrenzen, schon durch den
Bestand eingeschränkt.
Zu
6.
Anfang
der 90-ziger Jahre wurde zwischen der EU-Kommission und der Bundesregierung
über Beihilfen für die Modernisierung der Neubauwerften in Ostdeutschland
verhandelt. Im Ergebnis dieser Verhandlungen erhielten die ostdeutschen Werften
außergewöhnlich hohe Beihilfen, mussten aber im Gegenzug ihre
Neubaubaukapazität auf einen von der EU-Kommission vorgegebenen Wert begrenzen.
Diese Begrenzung sollte zeitlich befristet sein. Als mögliches Fristende wurde
in Abhängigkeit von der Einhaltung bestimmter Bedingungen das Jahr 2005 in
Aussicht gestellt.
Aus den einschlägigen EU-Richtlinien und Verordnungen war ab 1995, spätestens aber mit der Veröffentlichung der Verordnung (EG) Nr. 1013/97 des Rates vom 02. Juni 1997 über Beihilfen für bestimmte Werften, die zurzeit umstrukturiert werden, ABI. L. 148 v. 06.06.1997, erkennbar, dass für den Zeitraum von 2005 bis 2007 mit der Aufhebung der Kapazitätsbeschränkungen zu rechnen ist.
Zu
7.
Die
Hansestadt Rostock geht davon aus, dass
die Baugenehmigung rechtmäßig ist. Sie könnte dementsprechend nicht
zurückgenommen, sondern nur gem. § 49 VwVfG widerrufen werden. Diese Regelung
enthält in Abs. 2 einen abschließenden Katalog von Voraussetzungen, die
erfüllt sein müssen, um einen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt
widerrufen zu können. Ein Widerruf ist zulässig, wenn er durch Rechtsvorschrift
zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist; wenn mit dem Verwaltungsakt
eine Auflage verbunden ist und diese nicht oder nicht innerhalb der gesetzten
Frist erfüllt wurde; wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener
Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne
den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; wenn die Behörde
aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt
nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen
Gebrauch gemacht hat und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse
gefährdet wäre und um schwere Nachteile
für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Alle diese
Vorraussetzungen liegen hier nicht vor.
Ein
Widerruf ist außerdem nur innerhalb eines Jahres nach Kenntnisnahme der Behörde
von den den Widerruf rechtfertigenden Umständen möglich.
Bei
einem rechtswidrigen Widerruf können Schadensersatzansprüche in einem
erheblichem Umfang gegen die Hansestadt Rostock geltend gemacht werden.
Zu
8.
Im
Entwurf des Flächennutzungsplanes wird der Werftstandort planungsrechtlich
gesichert und seine Weiterentwicklung gewährleistet. Auch der vorliegende
rechtskräftige Bebauungsplan Wohngebiet „Am Tonnenhof“ hat in der
Abwägung den Werftstandort berücksichtigt. Aus diesem Bebauungsplan sind keine
Forderungen gegenüber den industriell-gewerblich genutzten Flächen entstanden.
Der Sicherung des Werftenstandortes Warnemünde dient auch der sich in
Aufstellung befindliche Bebauungsplan Nr. 01.GE.83 „Maritimes
Gewerbegebiet Groß Klein“.
Peter Grüttner